Gerne groß

by Volker Weber

Das hört sich richtig mächtig an:

Die Globalware AG, die GAP AG und die Group Technologies AG beabsichtigen, sich zu dem weltweit größten Softwarehersteller für Lotus Notes/Domino CRM- und E-Mail-Applikationen zusammenzuschließen
Das weniger:
Die Vorstände der drei Gesellschaften gehen davon aus, dass die durch die Fusion entstehende Gesellschaft über 100 Mitarbeiter, ...

Quelle: Computerwoche Online vom letzten Donnerstag.

Ich musste erst mal ein bisschen nachdenken, bis ich mir erlaube, das zu kommentieren. Zunächst einmal fand ich die Angelegenheit gar nicht so wichtig. Bei der Frage "relevant für Heiseticker" habe ich ziemlich schnell entschieden: Nein, nicht relevant. Aber im Hinterkopf störte mich etwas und ich konnte nicht recht festmachen, was das eigentlich ist. Jetzt weiß ich es: Dieser Anspruch von "weltweiter Größe". Groß waren einige der Protagonisten bisher nämlich vor allem im Versagen.

Globalware, das hatten wir hier schon einmal. Wer die Vorgeschichte nicht kennt, der muss in die Zeit zurückgehen, wo Geld billig und der Sex noch sicher war, oder umgekehrt:

Es waren mal ein paar schlaue Füchse, die glaubten mit Standard-Anwendungen auf Basis von Lotus Notes richtig viel Geld verdienen zu können. Da waren zunächst mal die drei prominenten Akteure Intraware (ex-Anal-ysis), Gedys und die Teamwork. Am neuen Markt holten sie sich viel Geld ab. Zum Ende der Sturm- und Drangphase, in der den Aktionären und gutgläubigen Mitarbeitern immer wieder das Blaue vom Himmel versproche wurde, trat man sich fröhlich gegenseitig vor das Schienbein und spielte solange es ging "heile Welt".

Konsequenterweise scheiterten alle glorios. Die während der letzten Rettungsversuche gefeuerten Gründerpersönlichkeiten tauchten nach einer Schamfrist wieder auf, kauften günstig die Überreste, sprich laufende und von vergesslichen Kunden nicht gekündigte Wartungsverträge inklusive Namens-und Lizenzrechte, und machten, diesmal in Harmonie vereint, weiter wie bisher. Andere wiederum gründeten fröhlich neue Unternehmen, führten auch diese innerhalb kürzester Zeit in die Pleite und hinterließen für IBM ein Schlachtfeld düpierter Investoren, Mitarbeiter und Kunden.

So kam es dann, dass die Analysis-Intraware-Globalware-Gedys-TJ-Group Konsorten wieder fröhlich verkünden, sie wären die Größten, während die Kollegen von der Teamwork ohne rot zu werden, im selben Design und mit gleichem Kopf wieder durch die Lande reisen. Kurze Zeit schien dann ein Unternehmen wie die inform. AG von der Unglaubwürdigkeit der anderen Kollegen zu profitieren und schwang sich mit IBM Personal (und deren Gehaltsvorstellungen) kurzzeitig zum größten Partner im deutschsprachigen Raum auf. Auch dies endete wie es enden musste.

Wer passt in diese Aufzählung nicht rein? Richtig: Group Technologies. Und deshalb frage ich mich, ob die Jubelmeldung wirklich zum Jubeln ist. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Ad hoc Meldung vom 20.4.:

Karlsruhe, 20. April 2005 - Der Vorstand der GROUP Technologies AG, Karlsruhe, hat den Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 2004 aufgestellt, welcher vom Aufsichtsrat gebilligt wurde.

Das Unternehmen konnte einen Umsatzzuwachs um 10,3% verzeichnen. Der Umsatz des Konzerns nach IFRS/IAS betrug im Berichtszeitraum TEUR 6.802 (2003: TEUR 6.166). Die Umsätze aus dem Neukundengeschäft konnten um 6%, die Umsätze aus der Softwarewartung um 17% zulegen.

Das operative Geschäft der Gesellschaft war seit 2001 erstmalig wieder positiv, allerdings gelang es dem Unternehmen nicht, insgesamt die Gewinnzone zu erreichen. Der Jahresabschluss weist ein EBIT im Konzern vor Sondereinflüssen von TEUR 138 (Vorjahr: TEUR -870) aus. Das EBIT nach Sondereinflüssen, die auf Abschreibungen auf aktivierten Eigenleistungen und Firmenwerten sowie zusätzlichen Aufwendungen im Rahmen der Reduzierung des US-Engagements beruhen, betrug auf Konzernebene TEUR -790.

Daraus ist ersichtlich, dass die Group auch in 2004 trotz massiver Anstrengungen seit 2001 keinen Gewinn bzw. positiven EBIT erzielen konnte. In 2000 wurde ein Überschuss von 300 TEUR erzielt wobei allerdings 200 TEUR durch Zinsergebnisse eingespielt worden sind. Ein Brancheninsider meint dazu:

Aus meiner Sicht stimmt bei der Group der Umsatz und die Mitarbeiteranzahl einfach nicht überein.

Ich gehe davon aus, dass die Globalware einen der externen Investoren der Group von einer außerbörslichen Übernahme der Aktienpackete überzeugen konnte. Von einem freiwilligen Zusammenschluss kann daher m.E. nicht die Rede sein, zumal ich hier keinerlei belastbare Synergieeffekte feststellen kann.

Die Globalware war bei der Übernahme der Intraware sehr clever und hat hier viel Geld verdient. Bei Group kann man das auch machen, zumal der Großteil der Umsätze aus den Wartungsverträgen kommt und daher vergleichweise stabil ist.

Auch wenn das alles reine Spekulationen sind, wäre ich als Group-Mitarbeiter ziemlich besorgt.

Comments

*clap,clap*

Ingo.Harpel, 2005-08-22

Um zu verstehen, warum die Group doch ins Bild paßt, bekam ich eine Einladung zu einem Webinar am Mittwoch, 20.8.2005, zu dem ich mich unter der Telefonnummer 0721/4901-1188 anmelden darf.

Rückfrage an den "PR Manager": Mittwoch, den 20.8.? Das Datum gibt es nicht, und die Dame unter der angegebenen Telefonnumer weiß von nichts.

Antwort des "PR Managers": Sorry, Datum falsch, wir meinten Dienstag den 23.8.

Aha.

Und wieso weiß man unter der Telefonnummer nicht bescheid?

Antwort: Rufen Sie bitte unter 0721/4901-1188 an, die helfen Ihnen weiter.

Bingo. So werde ich wohl nie erfahren, warum das so toll ist.

Alexander Kluge, 2005-08-22

*röchel* Ich sollte wohl Aktien kaufen, ich glaube es geht wieder los...

Moritz Petersen, 2005-08-22

Wer Lotus Notes / Domino gut kennt, versucht gar nicht erst Produkte auf dieser Plattform aufzusetzen. Ich programmiere seit 1995 in einer Vielzahl von Projekten Anwendungen für Lotus Notes / Domino. Für Projektrealisierungen und konkrete Umgebungen ist Notes absolut eine tolle Plattform (und ich mag Lotus Notes/Domino immer noch), aber Anwendungen "out of the box" lassen sich damit nicht wirklich gut realisieren. Wartung und Weiterentwicklung gleichzeitig mit Anpassungen an Kundenwünsche, das ist mit Notes nur sehr mühsam und mit großem Aufwand zu realisieren. Der Niedergang der Produktschmieden ist damit nur konsequent. Einzig die Tool-Entwicklungen machen Sinn, aber hier ergibt sich das Problem, dass der Markt für diese Produkte oft sehr klein ist und folglich die Preise für diese Produkte recht hoch sind.

Wer sich die Produktpalette des Konglomerats anschaut wird viele Überschneidungen und nur wenige Ergänzungen erkennen.

Also: GROSS = gut? Ganz sicher nicht! - Aber man hofft vielleicht ein wenig länger zu leben und die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt!

Horst Neumann, 2005-08-23

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