Ich verstehe es auch nicht
by Volker Weber
Und dennoch verstehe ich nicht, warum "5 Deutsche tot" uns näher geht als "156 Fluggäste tot". Ich verstehe es nicht.
Comments
Hab ich noch nie verstanden, warum Meldungen lauten: "Beim Unglück von X sind Y Menschen getötet worden, darunter Z Deutsche." Als würde das irgendeinen Unterschied machen, ob und wenn ja wieviele Deutsche in ihrer Eigenschaft als Deutsche und nicht als Menschen in Mitleidenschaft gezogen wurden. Oder sind wir wieder soweit, dass wir mal wieder besser und/oder mehr wert sind, als der Rest der Welt?
Zufälliges Ergebnis einer naiven Google-Suche: American among Iraq bomb victims.
Ich glaube kaum, daß es ein deutsches Phänomen ist. Was es nicht besser macht, aber des demonstrative Unverständnis ist nicht notwendig.
und ich verstehe nicht warum man die namen von Passagieren eines fluges im Internet lesen kann, wenn man aber bei einer Fluggesellschaft anruft und eine Auskunft darüber möchte einem das verweigert wird. Soviel zum Thema umgang mit den Daten...
Es gibt aber auch Meldungen wie "Beim (Unglück|Anschlag|...) von X sind Y Menschen getötet worden, darunter Z Frauen und Kinder." Auch nicht besser.
Media memes. Nervtötend.
Soziobiologie und Ethik.
Biologisch gesehen entwickeln wir leichter Sympathien für die, die uns nahestehen: Familie, Freunde, Stamm, Nation - The expanding circle. Aber da wir auch mit Vernunft und Moral ausgestattet sind, lernen wir normalerweise, dass wir universalisieren sollten (siehe ebenfalls dort), wie es die Moralphilosophie bei Kant (deutsche Tradition) oder den Utilitaristen (anglo-amerikanische Tradition) sagt. Entwicklungspsychologisch ist beispielsweise das Stufenmodell von Kohlberg sehr bekannt - erst ab der 6. Stufe sind Menschen in der Lage, zu universalisieren.
Das selbe habe ich bei den 10 französischen Soldaten letztens gedacht. Wenn amerikanische Soldaten in Afghanistan getötet werden, dann kommt nicht mehr als ein mediales Schulterzucken.
Das Hauptproblem ist eher dass es uns tatsächlich "näher" angeht wenn ein Unglück jemanden aus unserer Umgebung trifft als jemand der weiter entfernt ist. So ist es nunmal in unserer Natur und auch wenn wir es per Verstand anders haben möchten an diesem "Gefühl" werden wir nichts ändern.
Ich erinnere mich noch an genau so eine Erklärung welche wir auf der Uni in Soziologie hatten. Da hat sich doch tatsächlich jemand wissenschaftlich mit dieser Problematik befasst und versucht zu berechnen wie sehr uns Katastrophen gefühlt "berühren". Soweit ich mich erinnere galt dort allgemein dass das wir mehr "fühlen" wenn etwas uns, unserer Familie, unserer Bekannten, Region, Land, usw. angeht. Die zweite Komponente war zeitlich wann etwas passieren soll: sofort, morgen, in einer Wocher, einem Jahr, 50 Jahren.
Daraus kamen dann ziemlich verrückte Ergebnisse wie:
- Ein Essensfleck der UNS gerade JETZT passiert interessiert uns mehr als der drohende Hungertod von hunderttausenden in AFRIKA im NÄCHSTEN JAHR.
- Ein solariumgebräunter Körper der JETZT schön aussieht ist weit mehr wichtig wie was in 10 Jahren mit im passiert
Demnach kann ich mir leicht vorstellen dass die Meldung "5 Deutsche tot" uns tatsächlich näher geht als "156 Fluggäste tot".
Genau das habe ich mich auch schon wiederholt gefragt. Habe mich dann belehren lassen, dass - wenn die Nationalitäten (XY) der Betroffenen bekanntgegeben werden - die Angehörigen der Nation Z sich keine Sorgen machen müssen.
Die Erklärung hinkt trotzdem.
Wie Martin schon gesagt hat, das ist kein Deutsches Phaenomen. Genau das gleiche wird hier in Grossbritannien auch gemacht. Nur das hier halt Briten (oder Englaender, Schotten, etc, je nach Zusammenhang bzw Nachrichtensender) gezaehlt werden. Oder halt nicht gezaehlt werden, wenn es heisst "no British citizens were involved in the accident" oder aehnliches.
Nähe ist halt einer der dominierenden Nachrichtenwertfaktoren. Das gleiche Unglück im Kongo ohne deutsche Beteiligung wäre nur eine Randnotiz gewesen.
...oder in Kirgisien. Qoud erat demonstrandum. ('tschulljung!)