Ein Alligator von Welt

by Volker Weber

Er spielte hoch und verlor: der Führungswechsel im Hause Bertelsmann offenbart den Sieg der Solidität über die Strategie des ungestümen Wachstums.

Die Wände holzvertäfelt, ein schwerer Konferenztisch, sehr viel Auslauf. Ganz hinten eine Nasszelle mit Dusche und Klo. Das Büro des Bertelsmann-Vorstandsvorsitzenden Thomas Middelhoff in Gütersloh erinnerte an die riesigen Stuben der Stahlbarone an der Ruhr. Der Konzernchef hatte das Kontor im November 1998 von seinem Vorgänger Mark Wössner übernommen und er hat es nie gemocht. Es verströmte den eigentümlichen Geruch alter Herrenzimmer, in denen oft kalter Zigarrenrauch hängt. Auch die Knöpfe unter dem Tisch, mit denen man Sekretärinnen rufen kann, hat er nicht benutzt.

Wenn Middelhoff ans Fenster trat, sah er das Gebäude der 1977 gegründeten Bertelsmann-Stiftung, auch sie sehr ehrwürdig. Nur wenn er aus dem Haus ging und nach oben blickte, war er frei – am Himmel zogen die Flugzeuge nach Irgendwo, am besten weit weg. Zwei Wochen im Monat arbeitete der Manager in einem hypermodernen Büro im 24. Stock des Bertelsmann-Towers in New York nahe am Times Square, dann war er da, wo das Herz der Medienindustrie schlägt. Mindestens einmal im Quartal jettete er im Firmenflugzeug nach Asien.

Thomas Middelhoff, 49, hat die Zerreißprobe zwischen Gütersloh und Manhattan, zwischen Provinz und Weltliga, zwischen Scholle und Globalisierung nicht bestanden.

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