Und morgen üben sie weiter

by Volker Weber

Konstantin bringt es auf den Punkt:

Kurzer Hinweis an Ministerpräsident(inn)enkandidat(inn)en: Wenn man nach zwei drei vier ... Wahlgängen immer noch nicht gewählt ist, kann man - rein theoretisch, versteht sich - auf eine weitere Kandidatur auch verzichten. Natürlich nur, wenn man notfalls auch was anderes mit sich anzufangen weiß.

Die Sitzverteilung: CDU (30), SPD (29), FDP (4), Grüne (4), SSW (2). Der SSW genießt als Vertretung der dänischen Minderheit ein Sonderrecht und unterliegt nicht der 5%-Klausel; sonst wäre er nicht im Landtag vertreten. Er wollte der SPD-Grünen-Minderheit zur Regierung verhelfen. Das ist viermal gescheitert. Würde sich der SSW der Stimme enthalten, regierte in Kiel die CDU-FDP-Mehrheit.

Die SPD sucht derweil den Abgeordneten Verräter.

Zitat des Tages:

Das Land hat andere Probleme, als dass wir hier solange wählen, bis einer umfällt.
— Wolfgang Kubicki

Comments

Deine Ausführungen sind nicht zutreffend. Auch wenn die Abgeordneten sich ihrer Stimme bei der Wahl zum Ministerpräsidenten enthalten, reagiert in Kiel keine CDU-FDP-Mehrheit. Vielleicht gäbe es dann einen CDU-Ministerpräsidenten, der jedoch keine Mehrheit hat, um seine Ideen umzusetzen. Nach dem Scheitern Von SPD-Grüne-SSW bleibt lediglich noch eine SPD-Grüne-FDP (*extrem* unwahrscheinlich) Koalition, eine CDU-FDP-SSW Koalition (nicht minder unwahrscheinlich), oder die große Koalition aus CDU und SPD unter Führung eines CDU Ministerpräsidenten.

Davon abgesehen halte ich den Verweis auf den Minderheitenstatus des SSW für verfehlt. Es erweckt den Anschein, als seien die Stimmen der Abgeordneten weniger wert, als die eines anderen Landtagsabgeordneten. Dem ist nicht so, der SSW genießt diesen Status seit 1962 und ich halte es für albern gerade dann über diesen Status zu urteilen, wenn er unbequem wird.

Markus Thielmann, 2005-03-18

Umgekehrt. Meine Ausführungen sind deshalb falsch, weil bei einer Enthaltung auch kein Ministerpräsident gewählt worden wäre. Dazu ist eine absolute Mehrheit erforderlich. Der erste Wahlgang hatte ja eine einfache Mehrheit für Frau Simonis 34:33 (in Umkehrung der Mehrheitsverhältnisse von CDU-FDP und SPD-Grüne) bei zwei Enthaltungen gebracht.

Den Verweis halte ich nicht verfehlt. Die Stimmen sind ja durch den Minderheitenstatus mehr mehr wert. Sonst säßen die Abgeordneten ja nicht im Landtag.

Volker Weber, 2005-03-18

Ab dem dritten Wahlgang wäre bei Enthaltung des SSW der CDU-Kandidat zum Ministerpräsidenten gewählt worden, selbst wenn die eine bereits vorhandene Enthaltung aus dem SSW gekommen wäre. Eine einfache Mehrheit hätte ausgereicht.

Ich bin gespannt wie's weitergeht. An eine Neuwahl mag ich nicht so recht glauben, vermutlich würde es die SPD dann zerbröseln.

Helmar Steinberg, 2005-03-18

Am schlimmsten finde ich allerdings an der Geschichte, wie sehr sich damit die Politiker damit der Lächerlichkeit preisgeben. Damit wird nicht zuletzt dem Ansehen der Demokratie insgesamt geschadet und das fördert m.E. die ohnehin schon erschreckend weit um sich greifende Politikverdrossenheit. Weiter so und wir haben in absehbarer Zeit Verhältnisse in den USA mit Wahlbeteiligungen deutlich unter den 50%.

Ragnar Schierholz, 2005-03-18

mmh Politik..auch so ein Thema.

Bin ja eher Soze, aber was ich zu den Thema mal unbedingt loswerden will:

"Wieso ist man ein Verräter wenn man bei einer geheimen Abstimmung von seinem in der Verfassung verbrieften Recht gebraucht macht und vielleicht nach Gewissen und nicht nach Fraktionszwang abstimmt ??????"

Einfach unsportlich. Wenn jeder Abgeordnete sowieso nur nach Fraktionzwang abstimmen muss, dann reicht doch jeweils 1 Abgeordneter im Parlament der dann, ähnlich einer Aktionärsversammlung, einfach seine x-Prozent Stimmzettel in der Urne wirft. Würde sicher Geld sparen wenn wir uns das ganze Theater der parlamentarischen Demokratie sparen würden.

Ich habe daher auch überhaupt keine Probleme mit einer tolerierten Minderheitsregierung. Wieso auch nicht ? Aber einerseits Mehrheiten ausserhalb der Fraktion suchen wollen und dann jammern wenn innerhalb der Fraktion Leute anders stimmen, das ist doch nur was für Heulsusen.

Roland Dressler, 2005-03-18

"Wer ist der Heide-Mörder?" Überschrift Leitartikel taz, 18.03.05

Joerg Richter, 2005-03-18

@Ragnar: Politikverdrossenheit? Das Gegenteil: So ein großes Kino wie das gestrige macht eher politikgeil - es sei denn, man verträgt als Zuschauer keine shakespeareschen Aufführungen. Nein, lächerlich war nichts gestern, nur geheimnisvoll, tragisch und brutal.

@Roland: Individuelle Entscheidungsfreiheit steht gegen Fraktionszwang. Der hiesige Demokratietypus setzt letzteres voraus; ersteres kommt in freigegebenen Abstimmungen zur Geltung (Abtreibung, Hauptstadtwahl, Klonen, etc.) oder wird von abweichenden Abgeordneten angekündigt (Hartz IV). Sonst gibt es namentliche und vor allem auch geheime (!) Probeabstimmungen der Fraktionen.

@Volker: Dass gewisse Stimmen mehr zählen als andere, ist kein neues Phänomen. Es ist so alt wie unterschiedlich große Wahlkreise gepaart mit der Einrichtung von Überhangsmandaten. Im Allgemeinen nicht mit dem Gleichgewichtungsgebot der Stimmen zu vereinbaren, aber jeweils auch halbwegs legitimierbar.

Besser, gezielter, effektiver konnte die/der mutmaßliche SPD-Abgeordnete nicht gegen Tausende Stimmen seiner Wähler agieren. Hätte er es milder machen wollen, hätte er seiner Fraktionsführung anonym und glaubhaft (Anführen von Insiderwissen) seine Entscheidung vorab mitteilen können. Wer hier die Gewissensfreiheit eines Abgeordneten feiert, feiert das Gewissen eines politischen Snipers.

Andreas Schmidt, 2005-03-18

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