Wofür braucht eine Partei eigentlich 45 Vorstände?

by Volker Weber

Mir schlackern in den letzten Tagen mächtig die Ohren. Ein Vorstand mit 45 Mitgliedern? Was sollen die denn machen? Drei Vorstände, fünf Vorstände, von mir aus auch acht. Aber fünfundvierzig?

Dann haben wir für den Bundestag ja auch einen Vorsitzenden, einen Bundestagspräsidenten, der sozusagen gleich nach dem Bundespräsidenten kommt. Und wenn der mal verhindert ist, braucht er natürlich einen Stellvertreter. Und wenn der dann auch nicht kann, vielleicht noch einen. Aber wie viele haben wir jetzt genau? Habe da etwas den Überblick verloren. Die SPD möchte ja gerne einen Vizekanzler haben. Aber was machen wir, wenn der auch nicht kann, oder gerade nicht den Sekretär kriegt, den er haben will? Da muss doch zur Sicherheit noch einer her. Oder fünf. Oder fünfundvierzig.

Auch ne Art von Jammern auf hohem Niveau.

Comments

Naja, bei Bundestag und Regierung stimm ich nicht ganz mit dir überein. Ich finde es in Ordnung, wenn jede Fraktion des Bundestages einen (Vize)Präsidenten stellt und somit auch vertreten ist. Blödsinn ist es, wenn eine Fraktion zwei Vizepräsidenten stellt, wie die SPD nun.
Dass es einen Vizekanzler gibt halte ich auch für normal (gab es je keinen in der BRD?) und vertretbar - einen!
Auch einen Vizeparteivorsitzenden sollte es geben. Aber da beginnt jetzt meine Zustimmung zu deiner Kritik. Warum benötigt man mehrere Vizevorsitzenden?
Dass weiter in einem Vorstand mehr wie eine Person sitzen ist allerdings auch wohl klar. Ich würde zum Beispiel bei einer Partei aus jedem Bundesland einen Vertreter in den Vorstand setzen, dann den Vorsitzenden und sein Vertreter -> 18.
(Und dann noch meinen Bruder und meinen Vetter. Dessen Kumpel auch und dann dazu seinen [...] huch, sind ja schon 45 ;-))

Martin Hiegl, 2005-11-01

Ich finde es in Ordnung, wenn jede Fraktion des Bundestages einen (Vize)Präsidenten stellt

Ja? Ich kann ja verstehen, dass sie einen wollen. Aber wollen will ich auch viel.

Volker Weber, 2005-11-01

Ich kann das nicht verstehen. Vergesst bitte nicht: jeder Vize kriegt >10.000 Euro + Pension. Und zahlt N I X in die Sozialversicherungen dafür. Das Ganze führt dazu dass inzwischen auch die Altersansprüche der Beamten einen sehr bedeutenden Beitrag zur Finanzmisere unseres Landes leisten.

Die ganze Pöstchenscheiberei in Verbindung mit der Uneinsichtigkeit der Legislative, auch mal an sich selbst zu sparen kotzt mich inzwischen richtig an. Wasser predigen, aber selber Wein saufen sag ich da nur !

Roland Dressler, 2005-11-02

Dass jede Fraktionen einen Vize stellt halte ich für nachvollziehbar. Schliesslich geht es ja auch darum, dass alle Fraktionen gleich behandelt werden und da ist es notwendig, dass da einer an Ort und Stelle sitzt um dem Bundestagspräsidenten auf die Finger zu schauen.
Der andere Punkt sind natürlich die Kosten! Natürlich sollte so ein Vize ein klein wenig mehr bekommen als ein "normaler" Abgeordneter, da er ja mehr Verantwortung und auch vermutlich mehr Arbeit mit dem Posten hat. Dass eine Fraktion aber 2 Vizebundestagspräsidenten braucht (oder auch die, die den Bundestagspräsidenten stellt noch einen Stellvertreter) halte ich auch für übertrieben.
Aber zurück zur Überschrift: 45 Vorstände sind nicht gerade handlungsfähig. Ich denke auch, dass nicht jede Entscheidung von den 45 gemeinsam getroffen wird, sondern dass die nur dafür da sind, alle Stimmungen aus der Partei zu repräsentieren um sie so in Abstimmungsergebnisse einfliessen lassen zu können. Die eigentlichen Entscheidungen werden doch dann wieder von einigen wenigen ausgeführt.

Stefan Weigand, 2005-11-02

Es ist m.E. immer problematisch, wenn man in politische Machtbalancen gerät. Sowohl in Unternehmen als auch in der "reinen" Politik. Da will dann jeder Flügel und jede Gruppe/Fraktion/Partei/... vertreten sein, wenn mal eine Gruppierung nicht vertreten ist, dann wird das gleich als Abstrafung/Degradierung/ oder "Verkommen zur Unwichtigkeit" medial ausgeschlachtet.
Wenn eine politische Gruppierung, sei es ein Flügel einer Partei, eine Fraktion im Parlament oder was auch immer, auf ein solches Amt verzichten würde, dann würde garantiert noch am gleichen Tag von einer "herben Niederlage", einem "massiven Rückschlag" oder so in den Medien berichtet. Ist doch klar, dass da jeder seine Position stärken will.

Dass dies am Ende des Tages der Arbeitsfähigkeit solcher Gremien nicht förderlich ist, das ist jedem klar, der mal in einem solchen gesessen hat. Keine Frage, ein Vorstand von 45 Migliedern kann kaum noch in voller Runde Entscheidungen herbeiführen. Aber mal ehrlich, die Statisten in dem Vorstand stimmen doch meist eh, wie ihnen geheissen. Wenn nicht, dann knallt's wie am Montag. Wobei, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, waren das 14 zu 23 Stimmen. Fehlen 8, die es offenbar nicht für nötig gehalten haben, ihr ach-so wichtiges Amt wahrzunehmen...

Ragnar Schierholz, 2005-11-02

Ich glaube, hier liegt ein (nachvollziehbares) Missverständnis bezüglich der Organstruktur der SPD vor. Der Parteivorstand ist nämlich nicht mit dem Vorstand eines Unternehmens vergleichbar. Diese Rolle erfüllt das Präsidium, das deswegen offiziell auch "geschäftsführender Vorstand" heisst, vom Parteivorstand gewählt wird und auch wesentlich kleiner ist als dieser --zur Zeit sitzen da 13 Mitglieder drin. Die SPD hat also im engeren Sinne 13 und nicht 45 Vorstände. Was die Wahl des Generalsekretärs angeht, so wäre dies eigentlich auch Sache des Präsidiums gewesen. Allerdings gab es da keine Mehrheit für Müntefering, weshalb die Entscheidung an den Vorstand übergeben wurde.

Ich sehe das eigentliche Problem nicht in der Größe des Parteivorstands oder im Verhalten derer, die dort abgestimmt oder bewusst gefehlt haben. In meinen Augen war Münteferings Reaktion auf das Ergebnis einfach völlig überzogen. Ist halt einer, der's gern richtig knallen lässt. Das Image Münteferings als "Parteisoldat" sollte spätestens an dieser Stelle in Frage gestellt werden.

Irgendwie kommt es mir so vor, als wenn heutzutage überall erwartet würde, dass in geheimer Abstimmung getroffene Entscheidungen demokratischer Gremien bitteschön im voraus feststehen müssen. Betrifft genauso die Debatte um den Linkspartei-Vizepräsidenten im Bundestag. Oder die Heide Simonis-Schlappe. Oder...oder...

Martin Switaiski, 2005-11-02

Iwo, seine Reaktion war konsequent und IMHo auch angebracht.
Es war vielmehr ein Fehler sich davor in der Presse auf Wasserhövel so festzulegen ohne das mit dem Präsidium abzusprechen - irgendwann musste eine Reaktion auf seine einsamen Entscheidungen, welche er immer traf, kommen.

Martin Hiegl, 2005-11-02

Jein --die Entscheidung wäre m.E. konsequent gewesen, wenn er die Generalsekretärs-Frage klar mit seinem Vorsitz verbunden hätte. Eine solche Drohung wäre völlig angemessen gewesen und hätte sicherlich auch einige Vorstandsmitglieder "auf Linie gebracht". Mit einer solchen Donnerschlag-Reaktion wird einfach kaum jemand gerechnet haben.

Zu dem Thema gibt es bei Telepolis übrigens einen hervorragenden Artikel von Rüdiger Suchsland.

Martin Switaiski, 2005-11-02

Wie ich mittlerweile gelernt habe, hat der Parteivorsitzende fünf Stellvertreter. Da können wirklich eine ganze Reihe gerade auf dem Klo sein, zurückgetreten oder sonstwie unpässlich. Das "Präsidium" hat 13 Mitglieder und der "Vorstand" 45. Das sind schon mal ne Menge Steuerleute.

Volker Weber, 2005-11-02

Die Volksparteien sollten definitiv mal einschlägige Unternehmensberatungen auf ihre Organstrukturen loslassen;-)

Martin Switaiski, 2005-11-02

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