Großes Latinum

by Volker Weber

Vorgestern habe ich noch diskutiert, dass Latein als erste Fremdsprache* nicht so sinnvoll ist. Und heute darf ich das übersetzen:

Si forte in alienas manus oberraverit hec peregrina epistola incertis ventis dimissa, sed Deo commendata, precamur ut ei reddatur cui soli destinata, nec preripiat quisquam non sibi parata.

Der Text sollte als Disclaimer unter einer Mail dienen, hat aber leider nur den Character von "Latein für Angeber". Der obige Satz sagt nämlich aus, dass der Autor sein Dokument gerne zurück haben möchte, wenn es von unsicheren Winden in fremde Hände getragen würde. Bei einer E-Mail hilft das leider nicht viel.

*) Perfekt wäre meiner Ansicht nach erst Englisch, dann Spanisch.

Comments

Naja, ich hatte die Reihenfolge Latein, Französisch und Englisch und das hatte zur Folge, dass wegen stark abfallendem Schwierigkeitsgrad Englisch am Ende als extrem einfach empfunden wurde.
Aber gebracht hat es natürlich nichts: die einzige Sprache, die ich noch fließend beherrsche, ist selbstredend Englisch.
Ist aber auch schwer, im täglichen Leben Latein zu üben. Und die Französisch-Übung hält sich auch stark in Grenzen (obwohl die ehemalige Grenze nur 5 Minuten entfernt ist), weil die Grenzfranzosen halt auch Deutsch verstehen und man ja von Hause aus faul ist (ein bisschen viel Grenzen in dem Satz).
Aber in der heutigen Zeit würde ich auch Englisch als erste Sprache nehmen, führt wohl kein Weg dran vorbei. Als zweite Sprache könnte ich mich jetzt nicht spontan zwischen Französisch und Spanisch entscheiden. Evtl. sollte man auch Chinesisch in Betracht ziehen, um für die Zukunft gewappnet zu sein.

Bin übrigens stark beeindruckt von Deinen Lateinfähigkeiten, ich könnte das trotz 6 Jahre Folter nicht mehr übersetzen.

Patric Stiffel, 2007-01-05

In gewissen Kreisen soll es mittlerweile üblich sein, eine Mandarin sprechende Nanny einzustellen, um den Nachwuchs für zukünftige Aufgaben zu wappnen.

Michael Preidel, 2007-01-05

Haben diese Disclaimer eigentlich irgendeine Relevanz?

Dirk Mueller, 2007-01-05

bei mir gab es immer nur in der Adventszeit Mandarinen... ;)

Samuel Adam, 2007-01-05

Sir, these dozen languages would be appropriate according to Wikipedia in order by the number of native-language speakers: Mandarin Chinese, Hindi, Spanish, English, Arabic, Portuguese, Bengali, Russian, Japanese, German, French and Persian.

Cem Basman, 2007-01-05

Als Deutschschweizer lernt man zuerst Französisch, der Drift ins Englische ist aber in allen Schichten der Gesellschaft präsent. Mittlerweile probt man die gleichberechtigte Einführung des Englisch neben Französisch in der Primarschule. Die Idee, nur noch Englisch in der Primarschule anzubieten und Französisch auf die Oberstufe zu verschieben, wurde kommentiert, wie wenn jemand mit dem Pressluftbohrer am heiligen Gral geritzt hat.

Ich habe insgesamt 7.5 Jahre Latein gebüffelt. Bin noch heute froh drum, denn im gegensatz zum Deutschunterricht hat es mir beigebracht, wie westeuropäische Sprachen funktionieren. Den Text weiter oben könnte ich ohne Wörterbuch aber nur noch der Spur nach übersetzen.

Philipp Sury, 2007-01-05

Ich habe mit Latein angefangen und es nie bereut - beim erlernen von weiteren Fremdsprachen ist es immens hilfreich. Man lernt mit keiner anderen Sprache so gut mit Grammatik umzugehen.

Martin Hiegl, 2007-01-05

Patric, ich übersetze Latein nie sequentiell, sondern immer nur in bekannten Blöcken.

Si forte

wenn zufällig

in alienas manus

in fremde Hände

hec peregrina epistola

dieser besondere Epistel

incertis ventis dimissa

unsicheren Winden gesandt

sed Deo commendata

empfohlen zu Gott

usw ...

Volker Weber, 2007-01-05

Auch wenn von meinem großen Latinum nur noch ein klitzekleines Latinum übrig ist. Ich würde immer wieder eine Lanze dafür brechen. Latein hilft mir noch heute beim Verstehen von europäischen Sprachen, die ihre Wurzeln im Latein haben. Und ich bin auch der Meinung, dass eben genau die Logik, die Du uns beim "blockweisen Übersetzen" vorführst, leichter wird mit Latein als Grundlage.

Alexander Kluge, 2007-01-05

Nun aber mal keine falschen Schlüsse ziehen, lieber Volker

Das mit dem Latein für Angeber ist etwas sehr an den Haaren herbeigezogen. An dem Latein ist nichts auszusetzen, auser man kehrt zu dem leidigen "Reinheitsgesetz" der ".... ad fontes" Wissenschaftler zurück, deren Bemühungen schlussendlich dazu geführt haben, dass Latein als Wissenschaftssprache verschwunden ist ....

... hec statt haec zeigt schon deutlich, dass es sich nicht um KLASSISCHES Latein handelt, damit sind natürlich die Schranken (die übrigens im Schullatein zu stark betont werden, Latein war nie so starr, wie man das heute in den Schulen lehrt) viel weiter offen und "richtig" ist viel gummiger als im klassischen.

Weiter hat "reddere" eine ganze Sammlung weiterer Bedeutungen, nicht nur die etymologisch richtige Grundbedeutung von "zurückgeben". Wäre das nicht so, wäre das Attribut "cui soli destinata" inhaltlich völlig deplaziert. Korrekt muss das hier mit "... weitergeleitet werde an denjenigen, für den alleine sie bestimmt war ......"

Hier nur so als Hinweis die erste von insgesamt 7 übertragenen Bedeutungen für reddere, welches der "Levis & Short" aufführt:

1. To give up, hand over, deliver, impart, assign; to yield, render, give, grant, bestow, pay, surrender, relinquish, resign


... die Vorsilbe re- kann eben auch noch anderes als nur "zurück-" heissen.

Jens

Jens-B. Augustiny, 2007-01-05

Latein für Angeber soll heißen "ich schreib das jetzt mal so, dass das keiner kapiert". Für die maximale Reichweite bei minimaler Verständlichkeit wäre Mandarin vielleicht noch besser.

Volker Weber, 2007-01-05

Naja, damit bin ich ja sicher einverstanden ...... ich würde sowas auch nur tun, wenn ich einen speziellen Anlass hätte ..... so zum Bleistift, wenn mir jemand schreibt: ".... ich bin mit meinem Latein am Ende. Hilfst Du mir weiter?" ..... aber nicht bereit ist, für den Support (es war natürlich ein Computerproblem gemeint, kein Latein-Problem) einen angemessenen Obolus zu entrichten. Dann gibt das einen Effekt. Aber einfach so, sehe ich auch keinen Sinn darin. Schon gar nicht bei einem "Disclaimer".

Nichts desto trotz, was mir dabei nicht passt, wenn man dann Fehler im lateinischen Text supponiert, die da nicht drin sind. Der Text ist definitiv lateinisch korrekt und heisst, was er heissen soll (weitersenden, nicht zurücksenden ....), auch wenn er stark hochstilisiert daherkommt, und damit wohl selbst einem Römer ein Schulterzucken entlocken würde .....

Jens-B. Augustiny, 2007-01-05

Hallo Jens, meine Latein-Kenntnisse sind viel zu schlecht, um das zu unterscheiden. :-)

Das ist übrigens eine gutes Beispiel dafür, zu welchen Leistungen Menschen in der Lage sind, wenn sie ihre Kenntnisse kombinieren. Wir haben mal an einem Mittagstisch zusammen gesessen und gezählt, wie viele Sprachen wir alle gemeinsam beherrscht haben. Es waren 26 ! Ok, das Team war sehr international, und Alma alleine konnte schon sieben oder acht.

Volker Weber, 2007-01-05

Ok, so weit geht ja normalerweise auch der Unterricht nicht, das geht schon bald in stilistische Feinheiten hinein.

Stimmt, das Kombinieren von Wissen und Fähigkeiten ist immer wieder sehr interessant zu beobachten. Ich hatte das Erlebnis heute auch auf anderer Ebene: Wild Bill und ich bereiteten unsere gemeinsame Session für die Lotusphere vor, ich kann nur sagen, ein spannendes Erlebnis eben auch im Kombinieren von Leistungen.

Jens-B. Augustiny, 2007-01-06

Was für ein Footer!
sollte ich ihn mal in die Hände bekommen werde ich die Person sicher sehr argwöhnisch betrachten.
Am besten gleich noch den Doktor Titel und 5 andere Sprachen dazu. Traumhaft.

Gunther Tutein, 2007-01-06

"*) Perfekt wäre meiner Ansicht nach erst Englisch, dann Spanisch."

Efectivamente. Concuerdo contigo al 100 por ciento. Ya sabemos que el idioma anglo sajon desaparecerá en EEUU por razones demograficas, jejeje. It´s doomed, so forget about it in a few decades time...

Armin Roth, 2007-01-06

"Wenn zufällig dieses Schreiben aus der Ferne -bei unsicherem Winde abgeschickt, aber Gott anvertraut - sich in fremde Hände verirrt haben sollte, bitten wir, dass es dem zurückgegeben werde, für den es allein bestimmt war, und dass nicht irgendjemand es vorher an sich reisst, obwohl es eigentlich nicht für ihn gedacht war."

Alexander Hauser, 2007-01-10

Hallo,

verfolge das Gespräch mit Interesse. Auch wenn es schon lange her ist.
Kann mir jemand helfen?
Brauche einen anderen Ausruf für gemeinsam sind wir Stark. Communis fortis geht leider nicht!

Danke

Thorsten Mette, 2008-04-18

Eventuell mal hier versuchen, da sitzen wohl Spezialisten:
http://www.auxilium-online.net/forum/thema.php?tid=26

Werner Götz, 2008-04-18

Der besagte Text ist kein Latein für Angeber sondern ein Zitat -- genauer gesagt einer der ältesten Disclaimer der Welt. Disclaimer unter Emails sind im europäischen Rechtsraum ohnehin Sinn befreit, warum also nicht gleich in einer Sprache die "man" nicht lesen kann? Das ist doch wenigstens interessant.

Gemäss unserem grossen Bruder Google stammt der Disclaimer aus dem Vorwort zum “Liber Confortatorius” des französischen Mönchs Goscelin aus dem Jahr 1083. Eine sinngemässe Übersetzung lautet:

Falls dieser umherreisende Brief, der in unsichere Winde entsendet, aber Gott anvertraut wurde, zufällig in fremde Hände geraten ist, so bitte ich, dass er dem gegeben werde, an wen allein er gerichtet ist, und dass niemand ihn stiehlt, für den er nicht gemacht ist.

Passt für Emails allemal besser als 99% der Disclaimer die ich täglich empfange...

Joachim Büchse, 2010-02-12

according to latin grammar it must be written:
"non sibi paratam" if it is related to epistola.

Rolf Schneider, 2011-11-25

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