Vodoo-Umweltschutz

by Volker Weber

Interessante Zahlen:

Die Verbraucher in Deutschland greifen beim Kauf von Wasser und alkoholfreien Getränken immer mehr zu Einwegflaschen. Seit Einführung des Pflichtpfandes im Jahr 2003 ist die Mehrwegquote um gut ein Drittel zurückgegangen. Laut aktuellen Zahlen der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) liegt die Mehrwegquote nur noch bei knapp 31 Prozent, vor vier Jahren betrug sie noch rund 58 Prozent.

Das kann ich bestätigen. Wir kaufen praktisch nur noch Plastikflaschen, die dann bei Aldi im Automaten "entwertet", sprich vernichtet werden. Theoretisch könnte man die prima wieder verwenden, aber es sind ja per Definition Einwegflaschen. Kaum ein Händler tut sich die Mehrwegflaschen noch an, wenn er schon die Einwegflaschen bewegen muss.

Vor dem Haus stapeln sich tagelang gelbe Säcke. Kids und Besoffene haben großen Spaß daran, die dünnen Tüten über die Straße zu kicken. Also fliegt das Zeugs dann herum und kann von der Straßenreinigung aufgekehrt werden. Mittwochs in ungeraden Wochen sollen die Säcke abgeholt werden. Mittwoch, das kriegen die meisten Leute hin. Mittwoch, das ist morgen. Ungerade Woche? Da schon gelbe Säcke daliegen, legen sie halt noch ein paar dazu. Ergebnis: Müllberge verschandeln die Stadt.

An einem Ende verdient der Handel am Pfandschlupf, am anderen Ende jede Menge Geschäftemacher um das "Grüne-Punkt-System". Alles für die Umwelt.

Comments

Manchmal hat es echte Vorteile, in einer "Kleinstadt" zu leben. Hier kriegt es die Verwaltung sogar hin, an die Haushalte Kalender zu verteilen, auf die in der jeweiligen Woche das passende Symbol für den gerade "am dransten" seienden Müll eingedruckt ist. Und das sogar für die Zeit, wo die Leerung nicht 14-tägig sondern wegen "Sommerhitze" wöchentlich ist. Gepaart mit einem gut erreichbaren Wertstoffhof, der quasi "immer" geöffnet ist hat sich dadurch das Problem des Flugmülls irgendwie gar nicht erst ergeben. Nur die Einwegflaschen-Vernichtermaschinen bei Aldi und Lidl sind gelegentlich etwas überlastet. Speziell wenn ich vorbeischaue um "mal schnell" 150 Flaschen der Entwertung zuzuführen ...

Stefan Rubner, 2007-08-21

Hier verteilt der EAD ein Info-Heft, in dem ist ein Kalender in den man dann Aufkleber an den entsprechenden Tagen reinkleben kann. Oder man lädt sich den Plan für seine Strasse unter ead.darmstadt.de runter. Da gibt's die Abfuhrtermine auch im iCalendar-Format.

Ralf Hammen, 2007-08-21

Dieser ganze "Gelbe Sack" Quatsch ist überhaupt nicht mehr notwendig. Es gibt mitlerweile Mülltrennmaschinen die die Trennung deutlich besser machen als der Mensch bei seiner "Von Hand" Vorsortierung. Die werden aber nicht eingesetzt, gibt ja den "Gelben Sack" und der bringt Geld.

Frank Stangenberg, 2007-08-21

Ralf, schöne Theorie. In der Praxis schmeißen die Leute die Säcke einfach vor die Tür.

Volker Weber, 2007-08-21

Mittwoch jede ungerade Woche? Ein Traum!

In Bonn wird Grüner-Punkt-Müll alle vier bis fünf Wochen abgeholt - bei gutem Wetter läuft der gelbe Sack den Müllleuten schon von alleine entgegen...

Hartmut Samtleben, 2007-08-21

Schickt Eure Politiker mal zu einem Trainingskurs zu den Südlichen Nachbarn ;) - mehr hier: .

Andre Hausberger, 2007-08-21

Von den wiederverwendbaren Flaschen (Glas oder PET) halte ich mittlerweile nichts mehr. In der Gesamtbilanz (Transport zum Saubermacher, reinigen, Transport zum Abfüller) sind sie eher umweltschädlicher. Details siehe Quarks & Co. - ganz unten rechts gibt's die Sendung auch als Video.
Zudem bleiben trotz Reinigung auch Reste von netten Zeitgenossen zurück die Öl und andere Chemie in die Flaschen gefüllt hatten.

Haymon Ried, 2007-08-21

@Ralf: Selber einkleben und iCalender ist wohl beides ziemlich wenig praxistauglich, wenn ich Volkers Beschreibung so lese ;)

Stefan Rubner, 2007-08-21

Zum Gelben Sack: Euch ist klar, das die Entsorgung von Euch schon beim Kauf der Produkte mit bezahlt wurde (grüner Punkt) und die Abfallentsorger als Dienstleister für die Sackabfuhr vom grünen Punkt bezahlt werden? Die nicht-wöchentliche Abfuhr ist deswegen schon ein Skandal für sich (die Preise sind auf Basis einer wöchentlichen Abfuhr kalkuliert); die bei manchen Entsorgern zusätzlich geführte Argumentation mehr grüner-Punkt-Müll = höhere Gebühren setzt dem noch die Krone auf. Aus diesen und den nachfolgenden Gründen ist die Abschaffung des grünen Punktes nicht zu empfehlen. Zum einen würde der Handel mit Sicherheit flächendeckend 'vergessen' die Preissenkung der grüner-Punkt-Artikel im Einkauf an den Kunden weiterzugeben und zum anderen würden die Abfallentsorger - nun unter dem Deckmantel der 'Kostendeckung' auf Grund von weggefallenen Erträgen - die Entsorgungspreise deutlich erhöhen. Nicht umsonst werden Sitzungen der Abfallentsorger immer dann nicht-öffentlich wenn es um Gebührenberechnungen und Erträge geht. Die Mafia und die Energieversorger sind nichts dagegen.

Richard Kaufmann, 2007-08-21

Mehrweg ist out, denke ich. Zum einen werde ich meine gebrauchten Einwegflaschen, im Gegensatz zu den (wenigen) Verkaufs- und Rücknahmestellen von Mehrwegflaschen, an jeder Straßenecke wieder los. Zum anderen sind Mehrwegflaschen auch schwer, unhandlich und gehen schneller kaputt. Und Plastikmehrwegflaschen ist ja wohl das ekelhafteste überhaupt. Ich habe schon Cola- und Fantaflaschen in der Hand gehabt, da war auf Grund des zerschraddelten Plastiks kaum mehr die Flüssigkeit im Inneren zu erkennen. Die Einwegflaschen glänzen dagegen immer wie ein frisch geputzter Kinderpopo. Das Auge isst (trinkt) halt mit.

Richard Kaufmann, 2007-08-21

Manche meinen, weil immer mehr zu den Einwegflaschen gegriffen wird, sei das Pflichtpfand eine schlechte Sache. Wenn wir uns jedoch das Ausland anschaun, hat das nichts mit dem Pflichtpfand zu tun, sondern ist eine "natürliche Entwicklung". Es war nur eine Frage der Zeit, bis sich in D die dünnen Einwegflaschen (welche auch gereinigt werden könnten, was sich aber in keiner Hinsicht lohnt) durchsetzen, wie sie es in Frankreich, Italien, name it schon lange haben. Das Pflichtpfand (auf einen Großteil der Einwegflaschen) rettet uns jedoch vor den vollgemüllten Straßen, den leeren alten Flaschen in allen Ecken, mit welchen diese Länder zu kämpfen haben.

Ich fände es gut, wenn es ein Pflichtpfand auf alle Flaschen und Dosen, unabhängig vom Inhalt gäbe. Dann wäre das gelbe Sack problem möglicherweise auch geringer. Hier in Stuttgart kenn ich das übrigens nicht - Dienstag abends werden die Säcke rausgestellt, Mittwoch morgens abgeholt.

Martin Hiegl, 2007-08-22

Mhm, ich verstehe ja die ganzen Einwegbefürworter hier nicht so ganz. Reden wir doch mal vom Bier: Schmeckt aus Plastikflaschen noch schlimmer, als aus Dosen. Kaufe ich nur im äußersten Notfall. Und Einwegglasflaschen sind in der Umweltbilanz ja wohl unbestritten katastrophal. Ähnliches gilt für Fruchtsaft. Wo ist denn das Problem ein paar Kisten beim Getränkehändler des Vertrauens ins Auto zu laden?

Jan Timm, 2007-08-22

Stimmt, bei Bier setze ich auch auf Flaschen (Tannenzäpfle mmmh). Saft allerdings schmeckt auch aus Tetrapacks.

Haymon Ried, 2007-08-22

Bierflaschen sind bei dieser Diskussion außen vor. Dort liegt die Mehrwegquote unverändert bei 90%.

Hier geht es um Mineralwässer und Säfte. Das erklärte Ziel des Zwangspfandes auf deren Einwegverpackungen war, die Mehrwegquote von 58% zu steigern. Das genaue Gegenteil ist eingetreten. Damit ist die Einführung dieses Pfandes schlicht gescheitert.

Nun werden andere Begründungen hervorgezerrt. Insbesondere, dass Mehrwegverpackungen umweltschädlicher als Einwegverpackungen sein. (Transport, Reinigung, etc). Nun, wenn es darum geht, Einwegverpackungen weiter zu födern, dann braucht man eigentlich nur noch den Pfand wieder abzuschaffen. Wir haben jetzt gelernt, dass die Einwegverpackungen praktischer sind. Um sie weiter zu verbreiten, braucht es keinen Pfand.

Dann wäre noch das Argument mit der Müllentsorgung. Dann sollte man vielleicht noch einen Pfand auf Eisverpackungen, Joghurtbecher, Bonbontüten, Bifi-Aluverpackungen und so weiter einführen.

Oder wir fangen einfach wieder an, unsere Kinder zu erziehen. Das geht mit gutem Beispiel am einfachsten.

Volker Weber, 2007-08-22

Dann wäre noch das Argument mit der Müllentsorgung. Dann sollte man vielleicht noch einen Pfand auf Eisverpackungen, Joghurtbecher, Bonbontüten, Bifi-Aluverpackungen und so weiter einführen.
Wieviele Eisverpackungen, Joghurtbecher, Bonbontüten, Bifi-Aluverpackungen und so weiter siehst du tatsächlich rumliegen? Es ist schlichtweg auch eine Sache der Größenverhältnisse. Leere Bonbonpapierchen als Beispiel werden auch eingesteckt, wenn gerade kein Mülleimer zur Hand ist oder passen gut und einfach in einen rumstehenden Mülleimer. Die leere Plastikflasche landet bei vielen dagegen im Graben oder neben dem Mülleimer, weil sie so groß ist. Seit dem Dosenpfand ist es definitiv sauberer. Auf die Trinkbecher der Fastfoodketten wäre aber ein Pfand auch nicht die schlechteste Idee.
Das Problem sind häufig dabei auch nicht die Kinder, welche nicht erzogen werden, sondern die Eltern welche selbst schon nicht mehr erzogen sind und sich genauso wenig darum kümmern. Und wenn die Eltern nicht mehr erziehen, dann bleibt leider häufig nichts anderes mehr übrig, als dass der Staat einspringt. Pfand ist in diesem Sinne eine Erziehungsmaßnahme.

Martin Hiegl, 2007-08-22

Simpel. Keine Flaschen, jede Menge von den aufgezählten Dingen. Und das war schon vor dem Pfand so.

Volker Weber, 2007-08-22

Vor dem Pfand hast du aber auch sehr viele Dosen gesehn. Flaschen waren damals noch nicht verbreitet.
Hat man in Darmstadt immer einen Löffel dabei um seinen Joghurt unterwegs zu essen ;-)

Martin Hiegl, 2007-08-22

Darf ich einen kleinen Beitrag leisten?

Ich bin seit Anfang Januar in der Schweiz und hier ist das System wirklich gut: Man zahlt keinen Pauschal-gebühr an der Stadt, sondern es wird nur offizielle (und auch recht teure - um die 2€ für einen 25l Müllsack) müllsäcke genommen.

Wenn der Restmüll volumproportional teuer ist, dann werden plötzlich gratis-Angebote superinterressant. Das erklärt meine Meinung nach auch der super Erfolg in der Schweiz für Recycling.

Grüsse
Andrew

Andrew Magerman, 2007-08-23

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