Widerstand

by Volker Weber

Bekanntlich will sich Frau Ypsilanti nächste Woche im Windschatten der US-Wahl entgegen ihrer Wahlversprechen mit den Stimmen der Linken zur Ministerpräsidentin von Hessen wählen lassen. Dagegen bildet sich Widerstand:

Seit letztem Mittwoch ist die Homepage www.wortbruch.info online. Über 10.000 Bürgerinnen und Bürger sind bisher der Bürgerinitiative beigetreten und verurteilen den Wortbruch von Frau Ypsilanti.

"Es bleibt zu hoffen, dass sich einige der betroffenen Politiker ihrer Situation noch vor der Wahl bewusst werden und sich gegen ein solches Bündnis entscheiden", ist nur ein Zitat eines besorgten Bürgers.

Insgesamt kommentierten über 2000 Teilnehmer durch persönliche teilweise sehr emotionale Beiträge. Darunter ein Großteil von SPD-Wählern, die sich verraten und betrogen fühlen.

Insbesondere nach der Bekanntgabe der Koalitionsvereinbarungen ist der Ruf nach einer schärferen Auseinandersetzung mit Besetzung und Demonstrationen lauter geworden.

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Comments

Am Ende sollte mancher Wähler eher geschockt sein was er da an politischen Inhalten gewählt hat. Da ist sehr viel Ypsilanti SPD Programm drin, weitaus mehr als mit einer großen Koalition möglich wäre.
Wenn ich am Ende zwischen Inhalten und irgendwelchen Koalitionsaussagen entscheiden müßte würde ich mich auch für die Inhalte entscheiden.
Wer bei der letzten Bundestagswahl CDU gewählt hat weil er z.B. gerne das Steuerkonzept von Prof. Kirchhoff ausprobiert hätte dürfte heute mehr Grund zur Enttäuschung haben als jeder SPD Wähler in Hessen.
Oder SPD Wähler gehen grundsätzlich davon aus dass das Programm nach der Wahl durch eine Koalition automatisch in die Mitte gebogen wird?
Inhaltlich ist diese Konstellation bereits jetzt ein Erfolg aber die SPD hat ja durchaus einen Hang zur Selbstzerstörung. Ich befürchte daher das Ding ist noch nicht durch. Neuwahlen wären zum jetzigen Zeitpunkt, zumindest für die SPD, sicherlich eine Katastrophe.

Henning Heinz, 2008-10-29

@Heinz: 100% Zustimmung.
Das ist jedenfalls demokratischer als ein nicht gewählter geschäftsführender Ministerpräsident. Andere Lösungen wären Frau Y. sicher lieber gewesen. Sie scheint mir die einzige, die (trotz aller Widerstände) das Heft in die Hand nimmt, statt diese unerträgliche Situation aussitzen zu wollen. Man kann doch diese Wahl nicht einfach ignorieren und Neuwahlen durchführen, bis das Ergebnis stimmt. Und genausowenig ist es OK, den Ministerpresidenten einfach im Amt zu lassen weil das Ergenins "leider nicht paßt".
Ich erwarte von den Politikern, daß sie Kompromisse eingehen, wenn es notwendig ist - und Kompromisse bedeuten immer, daß Sie von Ihren "Wahlversprechen" abweichen müssen. CDU und FDF weigen sich einfach, das Wählervotum zu akzeptieren und danach zu handeln. Das ist arm.

Wolfgang Schmidetzki, 2008-10-29

Ich bin überrascht, wenn hier behauptet wird, dass Frau Ypsilanti das Heft in der Hand hält und CDU und FDP sich weigern das Wählervortum zu akzeptieren.
Da habe ich wohl andere Nachrichten gelesen und gehört. So war es Frau Ypsilanti, die bei einem Treffen zwischen CDU und SPD gesagt hat, dass es keine Verhandlungen mit der CDU geben werde, da man ja als SPD die Wahl gewonnen habe.
Damit war nicht nur die Tür zu und der Wählerwille ignoriert, sondern auch eine von Gerhard Schröder schon mal gehörte Eigenschaft der völligen Ignoranz plötzlich wieder präsent.
Roland Koch hat übrigens am Vergangenen Wochenende in einem Interview noch einmal bestärkt, dass er von Neuwahlen nichts hält und man erst mal schauen müsse, was denn mit dem von den Bürgern bestimmten Ergebnis zu machen ist.

Und ach ja, das Brechen von Wahlversprechen ist sicherlich etwas, dass in der einen oder anderen Form vorkommt. Frau Ypsilanti scheint aber nicht klar zu sein, dass sie den Stimmenzuwachs nur deswegen bekommen hat, weil sie genau diese rot-rot-grüne Zusammenarbeit vor der Wahl kategorisch (!) ausgeschlossen hat. Ich glaube die Hessischen Bürgerinnen und Bürger wollen keine an der Regierung beteiligten Kommunisten. Ja, ich weiß, die sind natürlich nicht an der Regierung beteiligt, wird jetzt der eine oder andere einwerfen. Wären sie in einer Koalition, müssten auch die Linken Kompromisse eingehen. Als Zünglein an der Waage bei einer Minderheitsregierung allerdings kann die Linke fordern was sie will. Und wenn die Regierung eine Mehrheit haben will, wird sie darauf eingehen müssen. Also sind sie irgendwie doch an der Regierung beteiligt.

Ich hoffe, dass sich der eine oder andere Abgeordnete von SPD oder Grünen noch auf das besinnt, was vor der Wahl versprochen wurde.

Thomas Lang, 2008-10-29

Und... wieso soll ein "nicht gewählter geschäftsführender Ministerpräsident" nicht demokratisch sein? - Das ganze ist doch die Folge aus dem Hessischen Grundgesetz, auf den die ganze Demokratie aufbaut. Und zu dem Wählerwillen - CDU hat mehr Stimmen als jede andere Partei, die an den Wahlen beteiligt war. Zugegeben, letztes mal hatten die noch ein ganzes Stück mehr, aber trotzdem, SPD ist nicht die stärkste Kraft im Lande. Nüchtern betrachtet sieht das nach einem Wählerauftrag für die Große Koalition. Frau Y leidet aber bekanntlich an dem schröderischen Symptom der Selbstüberschätzung.

Gregory Engels, 2008-10-29

Die Internetadresse wäre nach jeder Wahl, egal ob Landtag oder Bund, erneut mit Inhalten füllbar.
Ich werde genau beobachten, wie viel der programmatischen Inhalte umgesetzt werden - und mit welchen Zugeständnissen. Wenn die SPD genügend Arsch in der Hose hat, setzt sie um, was zu erreichen ist und leitet danach Neuwahlen ein. Ich denke nämlich nicht, dass die Schnittmengen der Interessen aller so groß sind, dass es eine volle Legislaturperiode hält.
Auf der anderen Seite würde ich der CDU empfehlen, dass Beschlussvorlagen, deren Inhalte auch ihren Zielen entsprechen, nicht parteitaktisch blockiert werden. Diese Art Politik halte ich für noch schädlicher für das Land als eine Mehrheitsfindung, mit der einige Probleme haben.
Messt sie an ihren Taten.

Steffen Pelz, 2008-10-29

http://www.mein-parteibuch.com/blog/2008/10/28/wwwwortbruchinfo-verdeckte-cdu-propaganda-gegen-andrea-ypsilanti/

hihihihi

Ok, die Seite ist nicht grad dafür berühmt, objektiv zu sein (und ect.) aber hier und da findet sich immer ein Körnchen Wahrheit.

Marcel Tietze, 2008-10-29

Jetzt einfach auf die böse Intriganti zu zeigen bedeutet natürlich auch, brutalstmöglich auszublenden, was sich um den Ministerpräsident, der jüdische Vermächtnisse erfunden, Schwarzgeld gebunkert und gegen "die Ausländer" abstimmen lassen hat, schon so abspielte.

Haiko Hebig, 2008-10-29

Ich zitiere aus einer Mail von gestern:

Für mich wird der 04.11. ebenfalls zum Entscheidungstag: Bei einer erfolgreichen Wahl von Ypsilanti werde ich mein Parteibuch zurückgeben. Durch kleinere Wahlkampfaktivitäten in ... sehe ich durch den Wortbruch auch meine persönliche Integrität belastet.

Volker Weber, 2008-10-29

@Haiko: Hier geht es nicht darum, Koch als Heiligen dastehen zu lassen. Nur kann man einen Wortbruch von Ypsilanti nicht dadurch gutheißen, dass auch Koch in der Vergangenheit nicht gerade ein Musterpolitiker war. Das, was Ypsilanti hier macht ist, direkt und offensiv, ohne Scham oder Scheu dem ehrlichen Wähler ins Gesicht zu grinsen und ihr Versprechen zu brechen. Und wer dies mit solch einer Selbstverständlichkeit macht wie Ypsilanti, der sollte dafür nicht noch belohnt werden...

Alper Iseri, 2008-10-29

Wenn ich früher mal ne 4 kassiert habe, dann habe ich auch als erstes gesagt: "Der Uwe hat ne 5". Das ist eine normale Reaktion, macht aber auch nichts besser.

Volker Weber, 2008-10-29

Interessant finde ich, dass die Diskussionen um dieses Thema meist sehr hitzig ablaufen. Allerdings fällt mir auch auf, dass die Lügiloni unterstützende Seite oftmals wenig sachliches beizutragen hat. Selbst Landtagsabgeordnete der SPD versenden an besorgte Bürger freche E-Mails und versuchen ihren Standpunkt mittels unverschämter Belehrung statt sachlicher Argumente zu erklären.
Ob man Koch mag oder nicht, ist hier völlig unerheblich. Aufgrund einer Antipatie sich für Konzeptlosigkeit und die Unterstützung linken Gedankengutes zu entscheiden, halte ich für nicht sehr weitsichtig.

Thomas Lang, 2008-10-29

Grundsätzlich würde ich mir wünschen, dass eine Versachlichung von Wahlen und Politik stattfinden würde. Darunter verstehe ich, dass jede Partei ihre (belastbaren) Aussagen zu den Kernpunkten vor einer Wahl formulieren sollte. Diese würden dann per (online-) Wahl bei den Wählern über einen Fragebogen abgefragt (Spiegel, Focus und Stern hatten dieses Vorgehen bei der letzten Wahl separat voneinander praktiziert). Auf diese Weise würde der schwachsinnige, personenorientierte Wahlkampf überflüssig und die Wahlergebnisse würden (theoretisch) besser.
Kniffelig wäre der Prozess, dass sich die Parteien auf ein System und auf die Formulierungen / Aussagen einigen müssten.
Darüber hinaus müsste eine Verpflichtung der Parteien und ihrer Politiker bestehen, das Wahlprogramm auch umzusetzen. Eine unabhängige Instanz müsste dafür sorge Tragen, dass dies auch geschieht.

Also: Versachlichung der Wahlen + Garantie der Umsetzung der Wahlversprechen + gleichzeitige Einsparung der Wahlbudgets.

Auch wenn der Ansatz wahrscheinlich gnadenlos naiv ist - ich würde es mir als Bürger und Wähler so wünschen.

Stephan Bohr, 2008-10-29

Das mit dem Wählerwillen ist so eine Sache.

Wenn man die SPD und die Grünen als "linke" Parteien ansieht, hat der Wähler (in seiner Gesamtheit) den "linken" Parteien einen Regierungsauftrag erteilt.

Frau Ypsilanti muss auf jeden Fall eines ihrer Wahlversprechen brechen. Sie hat als Wahlziel ausgegeben "Koch muss weg..." und "...aber ohne die Linken". Beides gleichzeitig geht jetzt nicht und dann kommt es darauf an, welches Versprechen als wichtiger anzusehen ist.

Die hessischen Spitzenpolitiker haben sich vor den Wahlen durch ihre Nicht-Koalitionsaussagen selbst in die Ecke manövriert. So lange wählen zu lassen, bis den Herren und Damen das Ergebnis zusagt, ist sicher nicht die richtige Lösung.

Oliver Stör, 2008-10-29

Wer jetzt mal schnell sein Parteibuch zurückgibt sorgt mit dafür das am Ende die Programm machen mit denen man nichts zu tun haben wollte. Und das man das Parteibuch behält wenn die Wahl von Ypsilanti scheitert finde ich dann auch etwas seltsam. Aber die SPD hat von 1990 bis 2008 fast 45 Prozent ihrer Mitglieder verloren, da kommt es auf den einen oder anderen enttäuschten Hessen wahrscheinlich auch nicht mehr an.
Jede Genossin oder Genosse sollte eigentlich sagen "Jetzt erst recht" und für seine politischen Überzeugungen kämpfen. In der Parteibasis (nicht nur bei der SPD) scheint aber inzwischen das Gefühl zu wachsen wie bei vielen Wählern. Die da oben machen eh was sie wollen und am Ende heisst es auch noch der Wähler hätte so entschieden.

Henning Heinz, 2008-10-29

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