Schade 1&1

by Volker Weber

1&1 hat uns viele Errungenschaften gebracht, die wir für selbstverständlich halten. Flatrates zum Beispiel. 1&1 waren die ersten, die Volumen zu festen Preisen verkauften. Das heißt, sie kauften Volumen zu variablen Kosten ein, verkauften es aber zu einem festen Tarif. Das geht nur mit einem Anbieter dieser Größe, der es schafft, einige wenige Intensivverwender durch viele Geringnutzer abzufedern.

Wer glaubt, Deutschland sei eine Service-Wüste und man werde hier abgezockt, der soll sich mal anschauen, was z.B. AT&T mit seinen Kunden anstellt.

So sehr ich 1&1 schätze, gibt es zwei Verhaltensweisen, die mich massiv stören:

  1. Die Behandlung von Bestandskunden. 1&1 bestraft Bestandskunden für ihre Treue. Nach 12 Monaten etwa steigen Monatsbeiträge bei vielen Angeboten um 10 Euro. Da gibt es zwar ein Sonderkündigungsrecht, aber es ist unmöglich, zufriedener Kunde zu werden. Das geht auch anders: ich habe ein altes Auto im Erstbesitz. Für jedes Jahr bekomme ich ein Prozent Nachlass auf Werkstattarbeiten, aktuell 15 Prozent.
  2. Die Schikanierung bei Kündigung. Der Vertragsabschluss geht mit einem Klick, die Kündigung dagegen nur per Brief oder Fax an eine Service-Nummer. Die Absicht ist klar und durchsichtig. Und die Schikane führt dazu, dass man einen zweiten Vertragsabschluss meidet.

Während 1&1 an vielen Stellen Weitsicht bewiesen hat, zeigt das Unternehmen hier Kurzfristdenken, das sich bitter rächen wird. Die guten Ideen werden einfach von den Mitbewerbern kopiert. Und die müssen dann nur noch ihre Kunden besser behandeln.

Comments

mir ging durch den kopf:

- o2 produkte kann man auch nur per fax oder brief kündigen. ärgerlich, aber wenig aufwand.

- dank kabelanschluss kann ich nur positiv von kabel deutschland berichten. sehr gute konditionen für medienschaffende, support per email hervorragend. installation dank zweier flinker techniker problemlos in meiner wohnung. das beste: 100mbit und rasend schnell.

katja wolf, 2012-08-20

Auch interessant, Zwei-Klassen-Gesellschaft: gmx.com (Rest der Welt) vs. gmx.net (Deutschland)

Michael Friess, 2012-08-20

Bei keinem Vertrag sollte man per Fax oder Mausklick kündigen, sondern immer den rechtssicheren Weg des Einschreibens mit Rückschein wählen. Wo stand nur unlängst eine Geschichte, wie bei 1&1 die Kündigungen per Fax sehr häufig angeblich nicht angekommen sind?

Michael Spehr, 2012-08-20

Schade insbesondere deshalb, da 1&1 mittlerweile einen wirklich funktionierenden Kundenservice hat: mir wurde bei DSL Problemen jüngst jeweils innerhalb weniger Stunden geholfen.
Das mit der Kündigung bleibt ärgerlich. Zuletzt habe ich einfach prophylaktisch gekündigt, 1&1 hat mir dann nach ein paar Wochen (!) verhandeln zuletzt einen besseren und günstigeren Vertrag angeboten. Das klappte allerdings nur, weil ich meinen Telefonanschluss von Magenta komplett auf 1&1 übernehmen liess - es war also quasi ein Vertragsupgrade. Das nächste Mal habe ich nix mehr zum upgraden (VDSL ist hier noch nicht angekommen), wird dann spannend. Früher war auch mal ein Wechsel von oder zu GMX ein guter Tipp (selber Konzern aber offenbar unterschiedliche Vertriebe) - vielleicht klappt das mal wieder ...

Axel Koerv, 2012-08-20

Nur ganz kurz dazu:

1. Wie so ziemlich jeder TK-Anbieter den ich kenne, bieten wir oft Aktionsangebote für Neukunden an: Das kann ein kostenloses oder verbilligtes DSL-Modem sein oder z. B. auch eine Reduzierung der Grundgebühr - mal für einen, mal für drei, mal für sechs, und manchmal auch für 12 Monate. Was daran verwerflich ist, kann ich beim besten Willen nicht erkennen. Schon seit vielen Jahren ermöglichen wir Bestandskunden auch einen Wechsel in neue Tarife.

2. Wir versuchen, den Kündigungsprozess so bequem wie möglich und so sicher wie nötig zu gestalten. Wir sind gerade dabei, den bestehenden Prozess deutlich zu vereinfachen. Dazu wird es in Kürze News geben. Mit der Online-Bestellmöglichkeit trägt 1&1 das Risiko: Wenn Kunden falsche Bankdaten eintragen, tragen wir die Kosten, außerdem gilt das gesetzliche Widerrufsrecht. Wäre die Kündigung komplett online möglich, läge das Risiko beim Kunden - im Missbrauchsfall können etwa Domains oder E-Mails verloren gehen. Aus diesem Grund haben bis vor nicht allzu langer Zeit die meisten Registrys auch zwingend die Schriftform bei Domainumzügen oder -Kündigungen vorgesehen.

Wie gesagt - in Kürze mehr dazu.

Schöne Grüße,

Andreas

Andreas Maurer, 1&1, 2012-08-20

Was daran verwerflich ist, kann ich beim besten Willen nicht erkennen.

Da habe ich wohl mit meiner Erklärung versagt. Schade. Wenn Sie es nicht erkennen können, dann ihre Chefs noch weniger. Bessere Aktionsangebote für Bestandskunden wäre das Stichwort. Stellen Sie sich mal vor, für volle 12 Monate koste das 30 Euro und danach 20 Euro:

Ganz fett, scharf kalkulierte 29,99 und danach dann kleingedruckte 19,99. Komisch was?

Und das Smartphone, das ist bei den 19,99 natürlich auch nicht dabei. Natürlich! Natürlich?

Volker Weber, 2012-08-20

Ja, Bestandskunde bei 1&1 ist ziemlich doof: VDSL gibt es auch nur für Neukunden.

Jetzt sind sie uns leider los: wir sind zu Schmidt und nicht bei Schmidtchen geblieben. Bei der Telekom gibt es VDSL an unserem Standort, war eine Sache von 4 Tagen zwischen dem Anruf des bemühten Kundenbetreuers der Telekom und der Schaltung.

Lernt man irgendwann im 2.ten Semester BWL: es kostet einen Bruchteil einen Bestandskunden zu halten im Vergleich zu den Kosten, einen Neukunden zu gewinnen.

Hajo Schmitt, 2012-08-20

Wie so was besser geht, hat mit QSC sehr fein demonstriert:

- Aktionsangebote für Bestandskunden
- Änderungskündigungen auf den aktuellen Tarif, wenn dieser besser ist als der vor x Jahren gekaufte, ohne großen Nerv über das Kundencenter
- http://blog.koehntopp.de/archives/335-QSC-spendiert-ordentlichen-Upstream.html Das ist der Idealservice, meiner bescheidenen Meinung nach "Bitte verbinden Sie sich neu, Sie kriegen dann das neue bessere Angebot zu den alten Konditionen. Die alte IP behalten Sie weiter (außer Sie wollen nicht)."

Kristian Köhntopp, 2012-08-20

Ich bin bei QSC, nutze allerdings noch das vor Jahren eingestellte Privatkundenangebot.
Und das ist leider nicht ganz so lustig denn nachdem das nicht mehr zum Kerngeschäft gehört tut sich da überhaupt nichts mehr.
Die Hardware wird i.d.R. zur Miete bereit gestellt. Die vielen Hardware Bundles und Kombitarife gibt es dort einfach nicht, VDSL will man gar nicht anbieten.
Einen Tarifwechsel spare ich mir auch denn es gibt inzwischen nur noch 1 Tarif. Teilweise kündigt der Anbieter selbst Kunden wenn sich der Anschluss nicht mehr rechnet.
Im Geschäftskunden Segment kann man zwar einfacher wechseln, erhält aber wieder eine entsprechende Mindestvertragslaufzeit. Bundles und Kombitarife gibt es wie gesagt weder für Neu- noch für Bestandskunden.
1&1 spielt, zumindest im Privatkundenangebot, in einer anderen Liga.
Sehr angetan bin ich auch von der Hotline von 1&1 (ab und zu hilft man mal bei Nachbarn und da war ich wirklich mehrfach angenehm überrascht) und die Hardware ist hochwertig (viel AVM) und es wird sehr kulant getauscht.
Trotzdem bin ich nicht bei 1&1, weil ich bei den ganz großen Anbietern die Erfahrung gemacht habe, dass man manchmal vor einem Problem steht und dann dumm aus der Wäsche schaut.
Da will dann die Telekom monatelang keinen Anschluss schalten, bei einem Umzug verliert man seine alten Rufnummern oder es gibt es eine größere Störung und der Anbieter und die Telekom schieben sich den schwarzen Peter gegenseitig zu.
Und wenn es dann hakt, dann gibt es oft keine funktionierenden Eskalationsprozeduren. Die Hotline ist mit solchen Problemstellungen dann oft überfordert.

Henning Heinz, 2012-08-20

Kündigung wird bei 1&1 nicht kundenfreundlich gemacht.

Wir haben letztes Jahr unser Haus verkauft. Die Käufer wollten einen Anschluss (inkl. DSL) von der Telekom. Wir waren mit 1&1; die Übergabe des Hauses fand bevor die Kündigung der 1&1-Anschluss wirksam werden konnte statt (wg. der 1&1 Kündigungsfrist).

Obwohl ich im Voraus den noch fälligen Betrag für die Restperiode an 1&1 zahlen wollte, wollte 1&1 den DSL-Port nicht frühzeitig an die Telekom freigeben. Und haben die vorzeitige Zahlung verweigert. Damit wurde der Käufer blockiert - er musste die 1&1 Verbindung übernehmen oder 3-4 Monate auf sein DSL warten. Letztendlich kam es doch nicht so wie 1&1 es wollte, weil es sich herausstellte, dass die Telekom 2 Anschlusskabeln zu unserem Haus ursprünglich verlegt hatte, und die Kabeln konnten für unseren Käufer getauscht werden. Somit konnte die Telekom den DSL-Zugang für unseren Nachfolger zu seinem Wünschtermin freischalten.

Ich fand das Verhalten von 1&1 sehr daneben und recht kundenunfreundlich, und habe beschlossen, nie wieder Leistungen von TelCos zu kaufen wenn sie mit längeren Kündigungsfristen gebunden sind. Und möglichst nie wieder Leistungen von 1&1 zu kaufen.

John Keys, 2012-08-20

Ich stimme Volker in Bezug auf seine Ausgangs-Frage "Warum werden treue Bestandskunden gegenüber Neukunden benachteiligt?" zu und möchte es insbesondere auf das Online-Banking-Geschäft erweitern.

Ich möchte auch keinen Vergleich zwischen TK-Anbietern treffen, da es ab einer bestimmten Größe immer überall Fälle geben wird, die dumm gelaufen sind.
Ich habe mich z. B. auch schon enorm geärgert, warum ich als Bestandskunde mit altem Vertrag 20 EUR monatlich für eine Funktion zahlen sollte, die 2 Monate jüngere Neu-Verträge kostenlos beinhalteten.
Ich habe aus Prinzip die 20 EUR nicht gezahlt und bei meinem auslaufenden Vertrag wäre diese Bestandskunden-Unfreundlichkeit sogar ausschlaggebend für einen Wechsel gewesen.
Glück für meinen Anbieter: Kurz vor Vertragsauslauf hat er die Funktion dann doch kostenlos für Bestandkunden angeboten, wenn auch mit etwa 1 Jahr Verspätung.

Liebe Dienste-Anbieter (jedweder Branche):
Tut auch etwas für Eure Bestandskunden, denn sonst sie irgendwann Neukunden ... bei der Konkurrenz.

Christian Henseler, 2012-08-20

Bei den Hypotheken bzw. Grundpfandkrediten ist es das gleiche. Die guten Konditionen bekommt der Neukunde, wessen Darlehens ausläuft bekommt fast immer ein deutlich schlechteres Angebot zur Prolongation. Bei mir waren das zarte 0,4% p.a.... Ein Anruf mit der Bitte um ein besseres Angebot (mit Hinweis auf ein besseres Angebot des Mitbewerbers) ergab nichts. Ein Bestandskunde kostet dem Unternehmen kein Geld, die Neukunden hingegen schon. Mit Betriebswirtschaft kann das nichts zu tun haben...

@ vowe: die Werkstatt hat nicht zufällig eine Filiale in Schleswig-Holstein? Ich hab da noch einen 1970er VW Kübel....

Martin Blunck, 2012-08-20

Ärgerlich sind beide Punkte. Jedoch aber mittlerweile in Deutschland durchaus kein Privileg von 1&1. Sowohl Lockangebote für Neukunden (finanziert durch Bestandskunden) als auch der Kampf mit der Kündigung habe ich bei etlichen Verträgen.
Dabei ergibt sich das eine durch das andere. Wenn ich dem Bestandskunden die Kündigung so schwer wie möglich mache, kann ich ihm das Geld aus der Tasche ziehen um die Lockangebote für die Neukunden zu finanzieren.
Hier ist der Gesetzgeber gefragt. Bei Stromverträgen hat es ja schon geklappt. Seitdem man als Kunde seinen Stromvertrag recht problemlos kündigen kann und die Abrechnung auch nicht mehr zu einen willkürlichen Termin erfolgt, nehmen die Lockangebote deutlich ab.
Aber auch hier liegen noch viele Dinge im Argen. Ich hatte einen Stromvertrag online abgeschlossen und bemerkt das ich den falschen Tarif gewählt hatte. Obwohl ich binnen 18 Stunden dem Vertrag widerrufen hatte, hatte der Stromanbieter zwischenzeitlich beim Netzbetreiber den Wechsel eingeleitet. Dieser konnte nicht mehr rückgängig gemacht werden und ich musste für 1 Monat den teuren Tarif bezahlen. Der Stromanbieter war auch noch im Recht, ich konnte nichts machen. So hebelt der Gesetzgeber das Widerrufsrecht hinten rum aus. Vom Stromanbieter kam übrigens kein Angebot in der Form das man mir entgegen gekommen wäre wenn ich z.B. einen anderen Tarif bei ihnen gewählt hätte.

Als Kunde ist man in Deutschland halt der Dumme da man immer in der Beweispflicht ist (Stichwort Kündigung per Einschreiben MIT Rückschein). Welchen Wert ein Kunde bei den Unternehmen in Deutschland hat, zeigte mir eine Versicherung sehr deutlich. Anstatt zu sagen "OK Kunde, du willst nicht mehr. Lass uns in Freundschaft auseinander gehen, vielleicht später noch mal", haben sie versucht per Gerichtsverfahren den Vertrag für ein weiteres Jahr aufrecht zu erhalten. Es ging dabei um einen Betrag von rund 60 Euro. Ich möchte nicht wissen welche Kosten diese Aktion die Versicherung gekostet hat. Letzten Endes musste die Versicherung nämlich einlenken und hat bis heute ihre 60 Euro nicht gesehen.

Ralf Albert, 2012-08-21

Das "Vertreiben von Bestandskunden" ist leider inzwischen üblich. Bei DSL-Providern, Bezahl-Fernsehen, Strom-Anbietern, Zeitungs-Abonnements, Banken, Versicherungen usw.
Warum all diese Anbieter immer noch ihren Erfolg an Neukunden messen, obwohl sie die doch nur "herumreichen", kann ich nicht verstehen. Wahrscheinlich ist die Anzahl von Neukunden für Controller und Zielvereinbarungen leichter zu zählen als die Anzahl zufriedener Kunden ;-)

Verzichten möchte ich auf die Nutzung dieser "Marketing-Etats" allerdings auch nicht. Also kündige ich und lerne neue Anbieter kennen.

Martin Sckopke, 2012-08-21

Zum Thema "Beweispflicht" nur kurz der Hinweis, dass ein Einschreiben mit Rückschein im Ernstfall auch nicht hilft, da die Zustellungsbestätigung halt nicht mit dem Inhalt des Schreibens verknüpft ist. Die einzige Möglichkeit wirklich sicher zuzustellen ist per Gerichtsvollzieher - das kostet zwar ca. 20 EUR, aber danach hat man eine Zustellungsbestätigung, die mit dem Schreiben verknüpft ist. Der zusätzliche Vorteil ist, dass eine Annahmeverweigerung hier nicht möglich ist.

Tobias Zuegel, 2012-08-27

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