Meine Glaskugel

by Volker Weber

Ich lasse selten jemand in meine Glaskugel schauen. Dafür ist sie viel zu trüb. Aber ich will einmal eine Ausnahme machen.

Die Zukunft sieht zum größten Teil aus wie eine frisch gestrichene Vergangenheit. Manche Utopie ist zwar verlockend, aber dennoch unerreichbar. Massenträgheit. Große Teile der Wirtschaft fußen immer noch auf Windows XP, obwohl sich Microsoft nach Kräften bemüht, diese Altlast zu beseitigen.

Apple hat mit dem iPhone und subsequent dem iPad einen durchschlangenden Erfolg. Vor allem, weil iOS simpel ist. Jeder Simpel (sic) kann sich völlig autark bewegen, inklusive Software-Auswahl. Zusammen mit der Cloud ist das übrigens ziemlich genau der NC (Network Computer), den Ellison und McNealy viel zu früh durchzusetzen versuchten. Ich erwarte, dass Apple diesen Bereich mit weiteren Computern ausbaut. Was fehlt, ist vor allem ein Notebook, sozusagen ein iOS-Air.

Google hat dieses Potential sehr schnell erkannt und mit Android ein ähnliches Ökosystem geschaffen. Was Google fehlt, ist die Kontrolle, die Apple ausübt. Zu viele Versionen, sehr schnell wahnsinnig viel Legacy. Google löst das aktuell mit den Platform Services, die auch auf alten Androids lauffähig sind. So kann Google stets neue Funktionen nachliefern, ohne die älteren Versionen abzuhängen. Mit ChromeOS hat Google bereits ein zweites Bein auf Linux-Basis, das aktuell nur für Laptops genutzt wird. Es spricht viel dafür, dass (Google-)Android und ChromeOS über Chrome zusammenwachsen. Auch hier haben wir wieder den NC in verschiedenen Geräteklassen.

Und Microsoft? Hat den selben Plan. Services von Microsoft, dazu PCs in jeder Größe, vom Telefon bis Desktop. So wie Apple eine Mac-Legacy hat, hat Microsoft eine viel größere Win32-Legacy. Mit Windows RT (das Betriebssystem) waren sie etwas zu schnell, aber mittelfristig ist WinRT (der Stack) der Weg. Noch läuft das nicht auf Windows Phone, aber ich rechne damit, dass es laufen wird. Dann wachsen Windows Phone und Windows endgültig zusammen. Microsoft wird weiter Win32 (Full Windows PC) unterstützen müssen, aber dem Anwender reicht definitiv WinRT, sobald das Henne-Ei-Problem (keine Anwender -> keine Software -> keine Anwender) gelöst ist.

Da haben wir es: drei Ökosysteme, dreimal Network Computer.

Comments

Right! Und drei ist auch eine gute Zahl - für jeden was dabei.

Ingo Seifert, 2013-09-27

Für jeden was dabei, das ist halt die Frage.

1. Was mache ich, wenn ich Dienste der drei Anbieter kombinieren will (Best in class)?

2. Was mache ich, wenn ich oder meine Unternehmung die Abhängigkeit nicht eingehen will? Klar, ich habe auch nicht mein eigenes Atomkraftwerk im Keller, aber Strom ist ein Commodity (kaum Migrationskosten), ich muss dem Stromanbieter nicht meine Geschäftsgeheimnisse mitteilen und er ist dann erst noch im gleichen Land (Recht)?

3. Wollen wir wirklich ein Oligopol von 3 Anbietern die voll vertikal integrieren und nach Gutdünken bestimmen, was zu welchen Bedingungen auf ihre Plattform darf? Erhöht die Eintrittskosten für Wettbewerber, verhindert Innovation, ruft Regulierungs- und Wettbewerbsbehörden auf den Plan. Die Konsumenten sind mit den Basis-Diensten gut bedient, die Grossen können sich weiterhin leisten, eigene Wege zu gehen, wo sie wollen, und die Mitte wird eingeklemmt.

Wahrscheinlich ist nur eine Frage der Zeit, bis beschränkt wird, was im Browser laufen darf. Die Apple-Einschränkung, dass Apps keine "Kaufen" Links auf Webseiten der App-Anbieter setzen dürfen, ist nur der Anfang.


Peter Daum, 2013-09-27

Ich sehe es wie Volker auf ein 3er Oligopol hinauslaufen, mit allen Vor- und Nachteilen.
Sicher wäre ein 4er oder 5er wünschenswert, SW Entwickler sind jedoch (zu Recht!) nur endlich leidensfähig bei der Portierung ihrer App auf andere Plattformen.
Hoffen wir, dass WP das Henne Ei Problem löst - sonst bleiben wir beim Duopol.

Punkt 2. von Peter ist ein mit Geld lösbares Problem: Server in den Keller, mit redundanten Anbindungen, USV, Desaster-Proof Backup, und redundanten Teams, die das alles beherrschen. Wird dieses Geld nicht aufgebracht, verlagert sich die Lösung in den kaufmännischen Bereich, was die Techniker (meistens) nicht befriedigt und die Punkte 1 und 3 auf den Plan bringt. You always get what you pay for.

Jörg Hermann, 2013-09-27

Für Nutzer bete ich, dass auch ein Mix aus den drei Welten geht. So nutze ich jetzt etwa: Apple-Cloud für Fotos auf iPhone, MS-Cloud für Fotos auf Lumia, Apple Cloud für alle Fotos seit 1999 auf dem Heimcomputer (iMac), Google-Cloud für E-Mails (Problem: funktioniert mit Outlook für Mac, Windows Phone, Windows Mail nicht mehr zuverlässig). Dazu noch Dropbox etc. Wobei es unter Windows Phone wenige oder keine(?) Möglichkeit gibt, externe Clouds für Fotos nativ mit automatischem Upload einzubinden (kenne zumindest keine).

Am liebsten wäre mir eine Cloud aus Deutschland (oder von meinem eigenen NAS) mit automatischem Foto-Upload für alle drei Smartphone-Systeme - und Einbindung in iPhoto auf dem Wohnzimmer-Mac.

Christian Just, 2013-09-29

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