Die Kurve wird flacher

by Volker Weber

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Vor einem Monat habe ich erklärt, warum wir jetzt mit Einschränkungen leben sollen. Das war bevor wir in Deutschland irgendetwas unternommen haben. Lest noch mal die Kommentare. Die verlinkte Datei habe ich aktualisiert und einmal die echten Zahlen für Deutschland und USA nachgetragen.

Wie man sieht, war die Annahme "Verdoppelung binnen 5 Tagen" zu optimistisch. Es ging viel schneller. Die gute Nachricht: Unsere Maßnahmen wirken. Im Vergleich zu USA haben wir eine kompetente Regierung, die Vertrauen in der Bevölkerung genießt.

Comments

Bemerkenswert wie stabil das US Amerikanische Politsystem dabei ist. In der Nationenwertung der der Corona Zahlen Olympiade reissen die einen Rekord nach dem anderen, aber in der Zustimmungsquote zur aktuellen Administration schlägt sich das nicht nieder.

Martin Funk, 2020-04-09

Bei Bewertungen und Vergleichen in Bezug auf die offiziell gemeldete absolute Zahl der Infizierten wäre ich vorsichtig. Wenn ich die Anzahl der Tests/Stichproben bei einer mir nicht genug bekannten Durchdringung in der Bevölkerung massiv erhöhe, dann wirkt sich das auch auf die "Verdoppelungsrate" aus.
Man beachte auch, dass die USA die vierfache Einwohnerzahl haben, das relativiert die Olympiade.
Am Ende zählt wie immer, was rauskommt: Zahl der Toten pro Mio Einwohner pro Zeitperiode; Auslastung des Gesundheitssystems nach einer längeren Periode.
Da sieht es bei uns aktuell noch gut aus.
Aber dann bekommen wir hoffentlich demnächst auch eine statistisch belastbare Zahl "Immunisierter" (bzw. wieviel Prozent Infektionen in der Bevölkerung wirklich vorherrschen) auf Basis robuster Felduntersuchungen.

Thomas Odorfer, 2020-04-09

Nun ja, lassen wir mal die Testzahlen außen vor. Aber bei 4-facher Bevölkerung USA zu Deutschland sprechen 2.300 zu 14.800 Toten eine deutliche Sprache (und das wo die USA in der zeitlichen Entwicklung ca. 1-2 Wochen hinter Europa liegt).

Am schlimmsten finde ich dass man in den USA mehrere Wochen gesehen hat was passieren wird (oder zumindest kann) und was man dagegen tun kann. Und man hat (fast) nichts getan (ich sage nur nationale Flüge, Spring Break etc.)

D.h. man hat die Chance vertan dafür zu sorgen dass es milder ausfällt als im Rest der Welt. Stattdessen liegt man jetzt ziemlich weit oben auf der Liste

Harald Gärttner, 2020-04-09

Zustimmung zu Deiner Quintessenz, Volker, was unsere Regierung anbelangt.
Wir haben es von allen großen Staaten am besten beherrscht.
Und die Prognose der W State University auf https://covid19.healthdata.org/germany
gibt Zuversicht, daß wir es im Griff behalten können.
Allerdings muß sich die ganze westliche Welt vorhalten lassen, die Geheimdienst Berichte schon aus dem November zu ignorieren und keine Pandemie Prävention vorzubereiten. Verglichen mit einem Hausbrand hat kein Staat reagiert, bevor nicht mindestens ein Raum am brennen war. In D gerade noch rechtzeitig.
Bei Italien hat schon ein ganzes Geschoß gebrannt, bis sie es gemerkt haben, ohne denen einen Vorwurf zu machen.

Der einzige Staat, der von Anfang Januar an strikt diszipliniert agiert und auf die Pandemie wg SARS 1 schon vorbereitet war, ist Taiwan.
Bei 23mio Einwohner noch keine 400 Fälle und 5 Tote bis heute.
Kein anderes größeres bzw demokratisches Land kann das von sich behaupten.
Warum lernen wir nicht mehr von Taiwan?

Wolfgang Bosch, 2020-04-09

Ich hole mir mal Prügel ab aber ich sehe die Entwicklung in den USA nicht so negativ wenn man berücksichtigt woher die kommen. Insbesondere das Checks and Balances hat diesmal ziemlich gut funktioniert und nach anfänglichen Hakeleien haben die ein paar wirklich gute Gesetze auf den Weg gebracht.
In Deutschland sind wir bisher ganz gut durch gekommen, Europa gibt aber schon ein eher gemischtes Bild ab. Meine Freundin wird in Kürze wieder in die Arbeit gehen. Sie arbeitet in einem Wohnheim für Geistig Behinderte. Der Altersdurchschnitt liegt über 60 Jahre, Atemschutzmasken und Schutzkleidung gibt es keine. Da ist teilweise dann auch einfach Glück dabei wenn nichts passiert.
Die Bertelsmann Stiftung hat erst vor wenigen Monaten vorgeschlagen jedes 2. Krankenhaus in Deutschland zu schließen, angeblich alles unrentabel.

Henning Heinz, 2020-04-09

Perfection is the enemy of progress. Man kann vieles richtig machen und gleichzeitig einiges falsch. Jeder sieht das, was er sehen will.

Volker Weber, 2020-04-09

Na ich sehe z.B. das:
https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/corona-bekaempfung-in-taiwan-eindruecke-eines-urlaubers-16712199.html
und denke mir dann: So hätte ich das gerne auch bei uns. Den Artikel finde ich auch einfach guten Journalismus, welchem ich zuletzt wieder häufiger begegne (vielleicht war er aber auch nie weg).

Henning Heinz, 2020-04-09

Verstehe. Du willst auf einer Insel ohne Landgrenzen leben.

Volker Weber, 2020-04-09

Das ist nicht so abwegig, wie man meinen könnte ... 😀

Jochen Kattoll, 2020-04-10

Absolut nicht. Und ihr geltet als Vorbild brim Testen.

Volker Weber, 2020-04-10

Es geht vor allem alles eher unaufgeregt und gelassen vonstatten, sehr angenehm. Wie gut wir durch die Krise kommen, werden wir sehen. Bisher wurden etwa 10% der isländischen Bevölkerung getestet, weiß nicht, wieviele es bspw. in Deutschland sind.

Jochen Kattoll, 2020-04-10

Das wichtigste: Momentan nur 11 Intensivpatienten. Die Kurve wird flacher.

Jochen Kattoll, 2020-04-10

Der Erfolg von Taiwan beruht nicht auf dem Inseldasein. Man schaue mal wie die von Europa sich trennende Insel so schlägt ...
Taiwan hat Op-Masken für die ganze Bevölkerung als Kassenleistung in wöchtentlichen Rationen, die auch verfügbar sind. Eine App zeigt den Bestand auf einer Karte an (wurde nicht vom Staat gebaut). Beim Betritt jedes Gebäudes / Büros wird einem Fieber abgenommen. Jeder wäscht dann erstmal die Hände, bevor er mit der Arbeit beginnt.
Bei der Einreise ins Land (z.B. Flughafen) erfolgen gründliche teilweise sequentielle Screenings. Bei Verdacht werden Passagiere in Quarantäne geschickt. Bei Einwohnern werden diese direkt mit einem behördlichen georderten Taxi nach Hause geschickt (ÖPNV ist dann nicht erlaubt).
Quarantäne wird per geolocation auf dem Smartphone (entweder eigenes oder behördlich gestelltes) digital überwacht. Dies wird in Taiwan als verfassungskonform betrachtet. Es ist keine App auf dem Handy notwendig dazu.
In Europa gibt es zum geolocation tracking ein Denkverbot wegen GDPR.
Nur: Eine bessere Idee hat in Europa aber niemand!
Letztlich ist das Handytracking ähnlich wie eine elektronische Fußfessel.

Die mit PEPP-PT/Corona App verfolgten Ideen dienen im Gegensatz dazu des Tracing
von Kontakten, wiederum ein ganz anderer Use Case.
Allerdings hängt das von der Akzeptanz und der signifikanten hohen Teilnahmebereitschaft der Bevölkerung ab. Bin mal gespannt, ob die App technisch gut genug funktioniert und ob wirklich genug Leute mitmachen werden.

Wolfgang Bosch, 2020-04-13

Ja, Island hat das ganz gut im Griff. Wie Jochen so sagt, gibt es nur noch 11 Intensivpatienten.

Das Screening von in Deutschland Einreisenden wäre nicht möglich gewesen, nicht mit einer offenen Landgrenze. Das schmälert überhaupt nicht den Erfolg der guten Vorbereitungen der Taiwanesen. Aber sie haben einfach auch eine andere Situation.

Ich bin selbst gespannt, welche konstruktiven Lösungen wir finden. Schon bei der Corona-Datenspende haben sich Nörgler wichtig gemacht.

Volker Weber, 2020-04-13

Inzwischen sind es nur noch 8, und es gab zu keiner Zeit mehr als 12 Corona- Intensivpatienten in Island. Das klingt natürlich wenig, entspräche aber nach der Pro-Kopf-Quote etwa 2.736 Intensivpatienten in Deutschland, was wohl in der Größenordnung der tatsächlichen Zahl liegen dürfte. Todesfälle gab es bislang 8, was auf Deutschland hochgerechnet etwa 1.824 ergäbe, also etwa die Hälfte der tatsächlichen Fälle in Deutschland. Infektionen jedoch insgesamt 1.727, was einer Zahl von 393.756 (!) in Deutschland entspräche, also etwa drei Mal mehr pro Kopf als in D.

Eine Corona-Tracing App gibt es hier übrigens auch, die die Bewegungsdaten der letzten 14 Tage lokal speichert, allerdings ist die Übermittlung der Daten im Falle einer Infektion (und natürlich die Nutzung der App als solcher) freiwillig. In den knapp zwei Wochen seit Bereitstellung hat offenbar knapp die Hälfte der Gesamtbevölkerung die App heruntergeladen und sich registriert (ich eingeschlossen).

Jochen Kattoll, 2020-04-15

Island hat mehr getestet als Deutschland. Ich denke, wir liegen bei den tatsächlichen Infektionen auf der gleichen Größenordnung, möglicherweise doppelt so hoch. Die Disziplin bezüglich der App ist beeindruckend. Das kriegen wir hier bestimmt nicht hin.

Volker Weber, 2020-04-15

Die Disziplin bezüglich der App ist wahrlich bemerkenswert, kommt aber nicht überraschend. Die isländische Gesellschaft ist immer noch relativ homogen und gleicht trotz ihrer Internationalität eher einem kleinen Dorf. Man hat eine starke nationale Identität und vertraut sich. Dazu kommt, dass die Familie über allem steht. Jeder hat Angehörige, Eltern, Großeltern, die zur Risikogruppe gehören und zu denen ein steter enger Kontakt besteht. Daher kommt niemand auf die Idee, die gute Intention einer solchen App in Frage zu stellen.

Hier die Webseite auf Englisch: https://www.covid.is/app/en

Jochen Kattoll, 2020-04-15

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