Das muss man doch verhindern können

Gestern in der FAS, ein Interview mit Cihan Celik, Oberarzt in Darmstadt über seine Erfahrungen bei den Rettungsmaßnahmen in der Türkei. Und wieder einmal ist mir aufgefallen, wie weit Deutschland bei allem hinterherhinkt. Statt in Technik zu investieren, beschäftigen wir Heerscharen von Juristen und bilden uns ein, dass der Datenschutz schon für Datensicherheit sorgt. Datenverlust, streng nach DSGVO natürlich.

Es ist eigentlich egal, wo man hinschaut. Ob NRW keine Abituraufgaben verteilen kann, dafür aber Daten verliert. Ob Volkswagen auch nach Jahren immer mehr den Anschluss bei der Software verliert (OTA = Over the Autohaus?), elektronisches Rezept, Krankmeldung, es ist alles ein Murks.

In der Schweiz gibt’s unter dem Berg 5G, aber wer nach Deutschland reist, landet in der Wüste

Neulich wurden hier neue Stromzähler eingebaut. Die kann zwar niemand aus der Ferne ablesen, aber dafür kann man den Momentverbrauch auch nicht ablesen, wenn man direkt davorsteht. Dafür braucht man eine PIN, die man nur bekommt, wenn man eine Nummer anruft und dort seine Zählernummer vorliest. Dann wartet man, bis einem die Nummer in einem Brief zugestellt wird. Sie ahnen es: Der Datenschutz. Zwei Wochen reichen übrigens nicht. Vielleicht hätte man eine Faxnummer hinterlassen sollen.

Was wir noch gut können: Zu dicke und zu teure Automobile bauen, die fossile Brennstoffe in CO2 und Wärme umwandeln. Und Menschen gegen sinnvolle Maßnahmen aufwiegeln.

PS: Eine Geschichte aus einem Nachbarland. Erst zu Ende lesen und dann aufregen.

14 thoughts on “Das muss man doch verhindern können”

  1. Ein Artikel, der mir aus der Seele spricht. Traurig, aber leider wahr.
    Wir (= unsere Politik) wollen es wohl nicht anders. Ich weiß mir nicht anders zu helfen, als nicht mehr so genau hinzugucken, sonst rege ich mich nur auf und Twitter ist mein Ventil. Liest zwar keiner in meinem Fall (ist mir aber auch egal), schließlich habe ich mich auf die Art und Weise “entlastet”. Das alles ist natürlich wenig konstruktiv, aber es wird einem auch nicht leicht gemacht in diesem Land. Wer zu viel Zeit hat, kann sich ja mal mit dem Thema Anmeldung eines Balkonkraftwerks auseinandersetzen oder es einfach “Holger Laudeley”-style tun.

  2. Das Deutschlandticket – letztes Jahr ein Knaller – ist erfolgreich kaputt reguliert. Für bisherige Abo-Kunden ein Geschenk, für alle anderen unbrauchbar:
    Nur vom 1. – 31. des Monats,
    Nur als Abo – Spontankäufe am Automat unmöglich!

    Niemand will mit einem Hund – geschweige denn Fahrrad – von München nach Frankfurt – zuviele Regeln der lokalen ÖPNV Betreiber.

    Freundin wurde – mit Ticket im falschen Zug – als Schwarzfahrerin bestraft. Mit dem Ostseeticket – obwohl wir uns zuvor bei der DB erkundigt haben – waren wir auch Schwarzfahrer. Die Schaffnerin im Zug hatte eine andere Meinung als die DB Zentrale!

    Ich kann – und will! – vor einer Zugfahrt nicht erst eine juristische Beratung einholen müssen – aber genau dort sind wir!

    1. Ich finde das Deutschlandticket faszinierend – ich habe damals beim 9€ Ticket mit einem Bekannten mal die Bierdeckelrechnung gemacht: wenn es als einziges Ticket das 9€ Ticket online (und ggf. in Verkaufsstellen analog) gegeben hätte und man dafür folgendes abschafft:
      – Fahrkartenautomaten
      – Abo Verwaltung
      – Fahrkartenkontrolle
      – Tarifsysteme (die muss sich jemand ausdenken – studiert man das eigentlich, ich könnte das nicht…)
      wäre die Deckungslücke durch die Einsparungen gar nicht mehr so groß gewesen.
      So haben wir ein semi-digitales Monster erschaffen hat, dass mir und meiner Frau 3h anstellen bei der BVG eingebracht hat.
      Das muss man als Land auch erst mal schaffen, eine solche Idee zu zerstören.

  3. Ich wollte mich erst aufregen, dann habe ich nochmal nachgedacht. In Volkers Post spricht er von “wir”. Ich nehme das mal wörtlich, denn ich bin mündiger Bürger.
    Mit “wir” meint er zuerst die “Regierenden” (“beschäftigen wir Heerscharen von Juristen”, “NRW keine Abituraufgaben verteilen kann”), dann abwechselnd
    einen DAX-Konzern (VW – “auch nach Jahren immer mehr den Anschluss bei der Software verliert”), dann
    die Krankenkassen/den Gesetzgeber: “elektronisches Rezept, Krankmeldung, es ist alles ein Murks”. Dann bekommt die Energiewirtschaft eine Watschn: “Neulich wurden hier neue Stromzähler eingebaut …” – auch nur Deppen am Werk.
    Dann wieder “die Automobilindustrie”: “Zu dicke und zu teure Automobile bauen”.
    Was willst Du uns hiermit sagen, Volker: “Menschen gegen sinnvolle Maßnahmen aufwiegeln.”
    Insgesamt ein “Rundumschlag” gegen “die da oben”. Was bleibt mir als “einfacher Mann der Straße” da eigentlich noch an Handlungsoptionen?
    Ich bin stolz darauf, dass wir in Deutschland so strenge Waffengesetze haben, die auch noch verschärft werden dürften.

  4. Ja, treffend, leider. Wir leben in einem schönen Land und haben vieles, über das wir uns freuen sollten.
    Aber Bürokratie, Regulierungswut und unser Rückstand bei Digitalisierung sind schlimm. Wie will man das mal aufbrechen und wieder besser machen?

  5. Volker – DU, und alle hier im Nicht-Blog – sind definitiv keine Verhinderer.
    Wir können eine bessere Welt bauen.
    Verhindern tun dies nur die Millionen überflüssiger Verwaltungsvorschriften, die von sehr bekannten Lobbyisten platziert wurden, um das Überleben der beauftragenden Branchen zu sichern.
    Jeder darf eine 3 Euro Dreifach Steckdose kaufen – selbstverständlich mit 10 Prüfzeichen – und in Betrieb nehmen. Ist der exakt gleiche Mensch allerdings Firmeninhaber, muss er diese Steckdose von einem zertifizierten Fachbetrieb auf Sicherheit überprüfen lassen – zum X-fachen der Anschaffungskosten! Jedes Jahr!
    Und in bester FUD Manier wird alles begründet mit “Sicherheit”.
    Als ob in den letzten 50 Jahren auch nur 5 Häuser in diesem Land spontan kollabiert wären. Trotzdem gibt es jede Woche noch mehr Bauvorschriften, für noch mehr “Sicherheit”. Dumm nur, dass die ausführenden Bauarbeiter diese nicht lesen können…

    1. Hat schon jemand Brandschutz eingeworfen? Das kommt noch vor der DSGVO in der Lister der ewigen Ausreden. „Wer ist dafür, dass wir dagegen sind?“.

  6. Brandschutz nehme ich in großen Teilen ernst – ich habe sehr verschmorte Dolly Klemmen als Beispiel…

    1. In großen Teilen ist das ja auch ok, aber auch da gibt es deutsche Auswüchse besonderer Art.

  7. Der Ursprung der Digital-Misere liegt nicht unbedingt in Deutschland. Die DSGVO wurde von einem bekennenden Datenschutzaktivisten aus dem Schrems-Umfeld (bei dem ich nur Lust an der Zerstörung sehe) entworfen und dann vom EU-Parlament beschlossen. Dann beginnt die Deutsche Kette: gesetzlich setzen wir so etwas am liebsten buchstabengenau, lieber noch strenger um. In der Ausführung und Rechtsprechung verschärfen wir es dann noch mal um 100%.
    Gleiches passiert aus meiner Sicht gerade mit der EU Digitalgesetzgebung (Data Act, Digital Act usw.). Ich fürchte in Deutschland wird das auf ein Verbot Deutscher KI Lösungen herauslaufen, das wird Open AI nicht stören, aber uns den Anschluss verlieren lassen.
    Aus meiner Sicht liegt das durchaus daran, dass wir praktisch keine Parlamentarier mit Digitalkompetenz haben. Und die ganz wenigen, die sogar Erfahrungen in dem Bereich haben, erlebe ich im Gespräch als frustriert und machtlos. Einen prominenten Vertreter wird aber sowieso die Wahlrechtsreform aus dem Bundestag befördern…

  8. Glaubt man bloss nicht dass andere Laender solchen Unsinn nicht auch koennen. Wenn die Tories hier im UK nicht doch noch eine Kehrtwendung machen (wie bei dem eigentlich geplanten EU-Gesetze-Abschaffungsgesetz) haben wir hier bald die “online safety bill” die im Endeffect end-to-end-encryption illegal macht. Und dann werden sehr sehr wahrscheinlich Signal, WhatsApp und alle anderen messaging apps die end-to-end-encryption anbieten illegal/tot sein.

    Von so viel Idiotie kann Deutschland noch einiges lernen…

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