Wenn man nicht alles selbst macht

Ich habe eine gut 25 Jahre alte Vespa ET4, nur 13.000 km gelaufen, die mir schon gute Dienste geleistet hat. Über die Jahre hat sie regelmäßig frisches Öl, neue Reifen, ein neues Lenkkopflager usw. bekommen. Die letzte größere Aktion war eine Vergaser-Revision. Reinigen, neue Dichtungen etc.

Trotzdem wollte sie kalt nicht mehr recht anspringen. Einen Termin beim Händler zu bekommen, war … schwierig. Ich habe sie ihm dann auf den Hof gestellt und ein paar Wochen später dann die Ansage, sie sei fertig. Der größte Posten auf der dreistelligen Rechnung war “Fehlersuche”, der zweitgrößte eine neue Startautomatik (gebraucht).

Der Roller sprang nun wieder an, aber er nahm nur sehr verhalten Gas an. Ich bin also ein zweites Mal hingefahren und bat um eine korrekte Vergasereinstellung. Da gibt es eine Gemischschraube und eine Leerlaufschraube. Das sei aufwändig und man müssen den Lambdawert messen und überhaupt sei keine Zeit. Nach ganz langem Stochern fand der Monteur dann diese Gemischschraube und dreht sie recht weit auf (Default ist 1,5 mal nach links vom Rechtsanschlag). Leerlauf kann ich selbst. Ich bin dann einigermaßen zufrieden wieder nach Hause.

Die Gasannahme wurde jedoch immer schlechter bis der Motor schließlich stotterte, sobald man Gas gab, und gar nicht mehr zog. Ich war kurz davor, dem Roller den Gnadenschuss zu geben, entschloss mich aber schließlich, der Sache selbst auf den Grund zu gehen. Zu irgendwas muss ja ein Ingenieurstudium gut sein. 😇

Links neu, rechts alt

Zwei Dinge, die mir sofort aufgefallen sind, waren gerissene Manschetten im Ansaugtrakt. Das ist schon mal schlecht für den Motor, weil die Ansaugluft nicht mehr so strömen kann, wie sie soll. Also habe ich die Manschette notdürftig mit Gaffa-Tape abgedichtet. Dann habe ich die Zündkerze rausgeschraubt und fand sie ziemlich schwarz und verkohlt. Schlecht für den Funken und ein Zeichen von zu viel Sprit im Gemisch. Das war wohl der letzten Vergasereinstellung geschuldet.

Nächste Kontrolle: Kommt da ein Zündfunke? Zündkerze mit dem Gewinde an den Zylinder gehalten und den Anlasser durchgedreht. Das ist ein bisschen spannend, weil der Motor ja nun ein zündfähiges Gasgemisch ausatmet. Klar erkennbar waren da Funken, aber auch Aussetzer. Also habe ich Zündkabel und Spule geprüft und – oh Wunder – das Zündkabel steckte nicht mehr richtig in der Zündspule. Also Zündkabel gekürzt und wieder eingesteckt, die beiden geflickten Bälge drauf, Gemischschraube auf 1,5 Umdrehungen vor Rechtsanschlag gestellt.

Voila – der Motor springt wieder an, schnurrt und hängt am Gas. Das war ja einfach.

Heute kamen dann die beiden neuen Bälge und waren mit etwas Gefummel wieder drin. Wusstet ihr, dass die Konstrukteure der Viertakt-Vespas zwischen Handgelenk und Ellenbogen noch zwei Gelenke haben?

Jetzt bleibt mir nur noch die Optimierung des Gemischs. Wie geht das? Ganz einfach. Motor richtig warmfahren, dann den Roller aufbocken. Motor wieder anlassen, kleinen Schlitzschraubendreher in das Loch der Gemischschraube fummeln. Jetzt langsam im Uhrzeigersinn zudrehen und dabei die Leerlaufschraube von Hand reindrehen, damit der magerer werdende Motor nicht abstirbt. Dann die Gemischschraube langsamer wieder aufdrehen. Dabei steigt die Drehzahl an. Dreht man zu weit auf, dann steigt sie nicht mehr weiter, also dreht man wieder eine Achtelumdrehung zu. Schließlich dreht man die Leerlaufschraube langsam wieder raus, damit die Drehzahl wieder fällt. Der perfekte Leerlauf ist gefunden, wenn das Hinterrad gerade eben nicht losläuft. So vermeidet man übermäßigen Verschleiß der Fliehkraftkupplung, weil der Roller mit Standgas nicht losfahren will.

Dem Ingeniör ist nichts zu schwör. In einem Vierteljahr kriegt der Roller TÜV und dann kann man mich mit Geldscheinen überreden, das gute Stück abzugeben.